Rheinische Post Langenfeld

Mamic-Affäre überschatt­et Kroatiens Erfolge

- VON ANDREAS ASEN

In das Strafverfa­hren gegen den früheren Verbands-Vize sind auch die WM-Stars Luka Modric und Dejan Lovren verstrickt.

MOSKAU (sid) Als die Spannung in den Schlussmin­uten des WM-Achtelfina­ls ihren Höhepunkt erreichte, vergaßen die Fans in der Heimat für wenige Momente sogar den spektakulä­ren Kriminalfa­ll, der den kroatische­n Fußball in Atem hält. Endlich ging es wieder nur um den Sport, um Elfmeterhe­ld Danijel Subasic im Kasten sowie Ivan Rakiti, der nervenstar­k den letzten Schuss vom Punkt versenkte. Doch die Finsternis kehrte bald nach dem Sieg über Dänemark zurück, sie wird nicht verschwind­en, solange die Prozesse gegen den Fußballpat­en Zdravko Mamic kein Ende gefunden haben.

Ein Schatten liegt auf der Nationalma­nnschaft, die sich vor dem Duell mit Gastgeber Russland am Samstag (20 Uhr) in Sotschi große Chancen auf das Halbfinale ausrechnet. Luka Modric, zentrale Figur des Teams, und Abwehrchef De- jan Lovren sind in den Fall Mamic verstrickt, mit mindestens einem Auge müssen sie darauf achten, wie es dem einstigen Strippenzi­eher auf dem Balkan ergeht.

Die Lage ist diffus: Bekannt ist, dass Mamic Anfang Juni in erster Instanz von einem Gericht in Osijek zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt worden ist. Ihm wird vorgeworfe­n, gemeinsam mit Komplizen mehr als 15 Millionen Euro bei Spielertra­nsfers unterschla­gen und rund 1,6 Millionen Euro an Steuern hinterzoge­n zu haben.

Das Berufungsv­erfahren, das sich über Jahre hinziehen könnte, bestreitet der ehemalige Vizepräsid­ent des kroatische­n Verbandes und Boss von Dinamo Zagreb von Bosnien-Herzegowin­a aus. Dorthin war Mamic nach seinerVeru­rteilung geflüchtet. Nach seiner kurzfristi­gen Festnahme ist er wieder auf freiem Fuß, er hält sich angeblich zumeist in Tomislavgr­ad auf. Hier gehört ihm ein Haus. Ob er an Kroatien übergeben wird? Unwahrsche­inlich.

Schon Monate vor dem

Auftakt des Prozesses hatte Mamic die Staatsbürg­erschaft von Bosnien-Herzegowin­a beantragt – das Heimatland seiner Eltern liefert Staatsange­hörige nicht an den Nachbarn aus.„Die Staatsanwa­ltschaft in Kroatien hat alle existieren­den Gesetze gebrochen“, sagte Mamic. Er werde nicht lebendig in ein kroatische­s Gefängnis gehen: „Ich vertraue den kroatische­n Institutio­nen nicht.“

Diese Institutio­nen haben längst auch Modric und Lovren ins Visier genommen. Beide waren einst für viel Geld aus Zagreb ins Ausland gewechselt: Der heutige Real-Star Modric ging für 21 Millionen Euro zu Tottenham Hotspur, Lovren, heute beim FC Liverpool angestellt, für acht Millionen zu Olympique Lyon. Das Gericht in Osijek war überzeugt, dass Mamic persönlich von den Transfers profitiert habe. Zwei weitere Verfahren warten: Darin geht es um Betrug, Untreue und Geldwäsche.

Modric und Lovren traten im ersten Prozess als Zeugen auf, Modric wird nun Meineid vorgeworfe­n, auch gegen Lovren wird ermittelt. Beiden drohen Haftstrafe­n. Der kroatische Verband stellte sich weit vorWM-Beginn demonstrat­iv hinter seine Stars, die sich die Ablöse mit Mamic aufgeteilt haben sollen. Zu den Komplizen gehört auch Mamics Bruder Zoran, einst in der Bundesliga aktiv und heute Trainer in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten. Er wurde zu vier Jahren und elf Monaten verurteilt.

In Russland werden die Kroaten immer wieder mit dem Krimi konfrontie­rt. Mamic sagte: „Wie sollen Modric und Lovren ihre Stärke bei der WM zeigen, wenn sie sehen, was der Staat mit mir gemacht hat?“Bislang gelingt es ihnen, vor allem Modric brilliert. Seinen verschosse­nen Strafstoß in der Verlängeru­ng gegen Dänemark machte er im Elfmetersc­hießen wieder gut.

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FOTO: REUTERS Zdravko Mamic

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