Mamic-Affäre überschattet Kroatiens Erfolge
In das Strafverfahren gegen den früheren Verbands-Vize sind auch die WM-Stars Luka Modric und Dejan Lovren verstrickt.
MOSKAU (sid) Als die Spannung in den Schlussminuten des WM-Achtelfinals ihren Höhepunkt erreichte, vergaßen die Fans in der Heimat für wenige Momente sogar den spektakulären Kriminalfall, der den kroatischen Fußball in Atem hält. Endlich ging es wieder nur um den Sport, um Elfmeterheld Danijel Subasic im Kasten sowie Ivan Rakiti, der nervenstark den letzten Schuss vom Punkt versenkte. Doch die Finsternis kehrte bald nach dem Sieg über Dänemark zurück, sie wird nicht verschwinden, solange die Prozesse gegen den Fußballpaten Zdravko Mamic kein Ende gefunden haben.
Ein Schatten liegt auf der Nationalmannschaft, die sich vor dem Duell mit Gastgeber Russland am Samstag (20 Uhr) in Sotschi große Chancen auf das Halbfinale ausrechnet. Luka Modric, zentrale Figur des Teams, und Abwehrchef De- jan Lovren sind in den Fall Mamic verstrickt, mit mindestens einem Auge müssen sie darauf achten, wie es dem einstigen Strippenzieher auf dem Balkan ergeht.
Die Lage ist diffus: Bekannt ist, dass Mamic Anfang Juni in erster Instanz von einem Gericht in Osijek zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt worden ist. Ihm wird vorgeworfen, gemeinsam mit Komplizen mehr als 15 Millionen Euro bei Spielertransfers unterschlagen und rund 1,6 Millionen Euro an Steuern hinterzogen zu haben.
Das Berufungsverfahren, das sich über Jahre hinziehen könnte, bestreitet der ehemalige Vizepräsident des kroatischen Verbandes und Boss von Dinamo Zagreb von Bosnien-Herzegowina aus. Dorthin war Mamic nach seinerVerurteilung geflüchtet. Nach seiner kurzfristigen Festnahme ist er wieder auf freiem Fuß, er hält sich angeblich zumeist in Tomislavgrad auf. Hier gehört ihm ein Haus. Ob er an Kroatien übergeben wird? Unwahrscheinlich.
Schon Monate vor dem
Auftakt des Prozesses hatte Mamic die Staatsbürgerschaft von Bosnien-Herzegowina beantragt – das Heimatland seiner Eltern liefert Staatsangehörige nicht an den Nachbarn aus.„Die Staatsanwaltschaft in Kroatien hat alle existierenden Gesetze gebrochen“, sagte Mamic. Er werde nicht lebendig in ein kroatisches Gefängnis gehen: „Ich vertraue den kroatischen Institutionen nicht.“
Diese Institutionen haben längst auch Modric und Lovren ins Visier genommen. Beide waren einst für viel Geld aus Zagreb ins Ausland gewechselt: Der heutige Real-Star Modric ging für 21 Millionen Euro zu Tottenham Hotspur, Lovren, heute beim FC Liverpool angestellt, für acht Millionen zu Olympique Lyon. Das Gericht in Osijek war überzeugt, dass Mamic persönlich von den Transfers profitiert habe. Zwei weitere Verfahren warten: Darin geht es um Betrug, Untreue und Geldwäsche.
Modric und Lovren traten im ersten Prozess als Zeugen auf, Modric wird nun Meineid vorgeworfen, auch gegen Lovren wird ermittelt. Beiden drohen Haftstrafen. Der kroatische Verband stellte sich weit vorWM-Beginn demonstrativ hinter seine Stars, die sich die Ablöse mit Mamic aufgeteilt haben sollen. Zu den Komplizen gehört auch Mamics Bruder Zoran, einst in der Bundesliga aktiv und heute Trainer in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Er wurde zu vier Jahren und elf Monaten verurteilt.
In Russland werden die Kroaten immer wieder mit dem Krimi konfrontiert. Mamic sagte: „Wie sollen Modric und Lovren ihre Stärke bei der WM zeigen, wenn sie sehen, was der Staat mit mir gemacht hat?“Bislang gelingt es ihnen, vor allem Modric brilliert. Seinen verschossenen Strafstoß in der Verlängerung gegen Dänemark machte er im Elfmeterschießen wieder gut.