Blutegel sind lebende Apotheken
dete mich erneut in Essen an, weil ich mir nach drei Monaten von einer zweiten Behandlung eine Konsolidierung und einen Langzeiteffekt versprach. Diesmal begleitete mich ein Fotograf.
Heilen können die Blutegel mein geschädigtes Knie natürlich nicht. Die Arthrose bleibt. Schon möglich, dass ich irgendwann ein künstliches Gelenk brauche. Nach meinen positiven Erfahrungen würde ich die Behandlung bei starken Schmerzen aber jederzeit wiederholen.
Warum hört man von der Schulmedizin nie etwas über die Blutegel-Therapie? Gustav Dobos begründet es mit dem Aufwand an Zeit und Raum, der in Arztpraxen kaum zu leisten ist. Und mit der Skepsis mancher Kollegen, die eine Operation favorisieren. Im Idealfall, sagt er, würde ein Pharma-Unternehmen die Wirksubstanzen für ein Medikament identifizieren. Da aber Naturprodukte nicht patentiert werden können, lohne sich das finanziell nicht.
Wie schätzt Professor Johannes Stöve, Chefarzt der Orthopädischen und Unfallchirurgischen Klinik am St. Marienkrankenhaus in Ludwigshafen, die Blutegel-Therapie ein? Er ist federführender Autor der „Leitlinie Gonarthrose“, die im Januar von der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) veröffentlicht wurde.„Wir haben einen ganzen Strauß von Maßnahmen zusammengestellt, um die Kniearthrose für Betroffene erträglicher zu machen und die Symptome zu lindern“, sagt er. „Als erste Maßnahmen sollen Patientenschulungen, Übungen zu Land und Wasser und Gewichtskontrolle durchgeführt werden. Die Leitlinie listet auf, welche Therapien sinnvoll, effektiv, gut beurteilt und effizient untersucht sind – und von welchen wir abraten. Bei vielen Methoden sind Zweifel angebracht, weil sie unwirksam bis schädlich sind.“Ist in der Leitlinie auch die Blutegel-Therapie erwähnt? „Ja. Aber dazu machen wir keine Aussage. Es gibt zu wenige Studien mit zu wenig untersuchten Patienten.“Würden Sie davon abraten? „Ganz und gar nicht“, antwortet der Professor. „Nur sollte der Arzt ehrlich sagen, dass die Therapie nicht beurteilt werden kann.“
Dennoch wird in der Leitlinie das positive Fazit einer nicht randomisierten Studie ausdrücklich formuliert: „Es fanden sich signifikant größere positive Effekte nach Blutegeln in Bezug auf Schmerz, Steifigkeit und Funktion sowie auf den Bewegungsumfang und die Gehgeschwindigkeit. Es traten keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse ein.“