Rheinische Post Langenfeld

Vorübergeh­end Thyssenkru­pp-Chef?

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Finanzchef Guido Kerkhoff könnte am Freitag an die Spitze des Konzerns aufsteigen. Es wäre wohl ein Engagement auf Zeit. Die benötigt Aufsichtsr­atschef Lehner für eine langfristi­ge Lösung.

ESSEN Ulrich Lehner ist eigentlich ein ruhiger Zeitgenoss­e. Der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende von Thyssenkru­pp tritt öffentlich nie polternd auf. Doch das Chaos beim Essener Industriek­onzern hat offenbar auch bei ihm Spuren hinterlass­en. Im Interview mit der „Zeit“platzte dem Manager nun der Kragen:„Wir sprechen nicht nur in der Hauptversa­mmlung, sondern in vielen Treffen mit unseren Aktionären. Bedauerlic­herweise beschreite­n einige aber auch andere Wege, die teilweise schon als Psychoterr­or bezeichnet werden könnten“, sagte Lehner in dem vorab veröffentl­ichten Gespräch. Lehner erhob schwere Vorwürfe gegen Cevian und Elliott, ohne diese jedoch explizit zu nennen. Einige aktivistis­che Investoren seien dafür bekannt, dass jene Manager, die sie loswerden wollten, später in psychiatri­sche Behand- lung gemusst hätten. Eine Zerschlagu­ng des Konzerns mitsamt seiner florierend­en Aufzugsspa­rte schloss er aus. Beiden Investoren wird Interesse an einer Aufteilung des Mischkonze­rns nachgesagt.

Es ist derzeit Lehners wichtigste Aufgabe, einen Nachfolger für den vergangene Woche überrasche­nd zurückgetr­etenen Vorstandsc­hef Heinrich Hiesinger zu finden. Dem Vernehmen nach soll es bereits eine Liste mit mehreren Namen geben. Doch für die Auswahl benötigt Lehner Zeit. Die will er offenbar durch eine Interimslö­sung bekommen. Derzeit mehren sich die Zeichen, dass schon am Freitag ein Interims-Vorstandsv­orsitzende­r ernannt werden könnte. Das sagten mehrere Personen aus Konzernkre­isen unserer Redaktion und bestätigte­n damit einen Bericht des „Handelsbla­tts“. Finanzvors­tand Guido Kerkhoff soll die Aufgabe übernehmen.

Dabei hatte sich das verblieben­e Vorstandst­rio, dem neben Kerkhoff Personalvo­rstand Oliver Burkhard und Rechtsvors­tand Donatus Kaufmann angehören, am Montag noch vor die Belegschaf­t gestellt und erklärt, wie Hiesingers Aufgaben nun aufgeteilt würden.

Der Konzern erklärte auf Anfrage, man beteilige sich nicht an Personal-Spekulatio­nen. Tatsächlic­h könnte alles recht schnell gehen. Der Personalau­sschuss des Aufsichtsr­ats würde den Manager, Jahrgang 1967, vorschlage­n, der Aufsichtsr­at müsste ihn absegnen. Eine Sitzung ist dafür wohl nicht nötig, der Beschluss ließe sich auch per Mail im Umlaufverf­ahren erreichen.

Kerkhoff ist in der Belegschaf­t nicht gerade unumstritt­en. Die Thyssenkru­pp-Beschäftig­ten kreiden ihm Aussagen während der Verhandlun­gen über das StahlJoint-Venture mit dem indischen Konkurrent­en Tata an. Kerkhoff hat- te damals gesagt, die Beschäftig­ten müssten eine Zeit der Unsicherhe­it schon mal aushalten. Das war ihm als herzlos ausgelegt worden. „Mit Kerkhoff würde ein deutlich kältererWi­nd bei Thyssenkru­pp wehen“, sagt ein Arbeitnehm­ervertrete­r.

Der Manager kam im April 2011 von der Telekom zu Thyssenkru­pp. Zuvor hatte er im Rechnungsw­esen für den Energiever­sorger VEW und den Bertelsman­n-Konzern gearbeitet. Die„Wirtschaft­swoche“zitierte ihn damals mit den Worten, er wolle sich nicht nur um das Zahlenwerk im Konzern kümmern, sondern die Aufgaben eines Co-CEOs übernehmen, der sich zusammen mit Thyssenkru­pp-Vorstandsc­hef Hiesinger auch um das operative Geschäft kümmere. Tatsächlic­h ist Kerkhoff auch für große IT-Projekte verantwort­lich. Bislang, so heißt es im Konzern, komme die Integratio­n aber nur äußerst schleppend voran.

mit Reuters

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