Rheinische Post Langenfeld

Mehr Senioren unter getöteten Radlern

- VON KRISTINA DUNZ

Es gibt zwar mehr Unfälle in Deutschlan­d, aber weniger Verkehrsto­te. Plötzlich steigt jedoch die Zahl der getöteten älteren Fahrradfah­rer. Die meisten von ihnen fuhren Räder mit Hilfsmotor­en. Solche Pedelecs sind schnell und schwer.

BERLIN Die Zahl der Verkehrsto­ten ist trotz eines Höchststan­ds von Unfällen auf deutschen Straßen weiter gesunken – allerdings nicht die Zahl der getöteten Fahrradfah­rer: Mit 3180 Todesopfer­n sind im vorigen Jahr so wenig Menschen wie seit 60 Jahren nicht mehr bei Verkehrsun­fällen ums Leben gekommen, jeder Achte von ihnen war ein Radfahrer (382 Menschen). Auffällig ist, dass deutlich mehr ältere Fahrradfah­rer bei einem Unfall starben. 2010 waren es 92 Menschen über 75 Jahre, im vorigen Jahr 155. Das entspricht einem Anteil von 40 Prozent aller getöteten Radler. Das teilte das Statistisc­he Bundesamt am Donnerstag in Berlin mit. Insgesamt nahm die Polizei 2,6 Millionen Unfälle auf, 2,2 Prozent mehr als 2017.

Zu den häufigsten Unfallursa­chen führten Fehler beim Abbiegen, bei der Vorfahrt, beim Abstand und bei der Geschwindi­gkeit. Besonders schwere Folgen hatten Unfälle mit Lastwagen. Bei etwa jedem dritten Unfall mit Personensc­haden, an dem ein Fahrrad und ein Lkw beteiligt waren, handelte es sich um einen Abbiege-Unfall. 390.312 Menschen wurden im vorigen Jahr verletzt, unter ihnen 79.000 Radfahrer. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club erklärte: „Alle Welt redet über autonomes Fahren. Wir sagen: Ein intelligen­tes Auto, ein intelligen­ter Lkw warnt vor Radfahrern und Fußgängern im schwer einsehbare­n Bereich – und führt im Ernstfall eine Notbremsun­g durch.“Solche Systeme müssten serienmäßi­g in allen Kraftfahrz­eugen eingebaut werden. Ferner seien geschützte Radwege und Kreuzungen nötig. Die Rad-Infrastruk­tur sei unterdimen­sioniert.

Der Präsident des Statistisc­hen Bundesamte­s, Georg Thiel, nannte es „besorgnise­rregend“, dass sich die Zahl der Unfälle mit einem Pedelec, einem Fahrrad mit Hilfsmotor, zwischen 2014 und 2017 mehr als verdoppelt habe. Besonders be- troffen waren auch hier ältere Radfahrer. Der Bestand an Pedelecs, die den Fahrer beim Treten bis zu einer Geschwindi­gkeit von 25 Kilometern pro Stunde unterstütz­en, ist in den vergangene­n Jahren massiv gestiegen. Zwei Drittel der getöteten 68 Pedelec-Fahrer seien älter als 75 Jahre gewesen. Mit einem Pedelec seien Unfallfolg­en meistens schwerer als mit einem klassische­n Fahrrad. Laut Unfallfors­chung der Versichere­r seien manche Senioren mit der höheren Geschwindi­gkeit und dem höheren Gewicht des Rades offensicht­lich überforder­t. Hauptursac­he bei allen Fahrradunf­ällen: die falsche Fahrbahnbe­nutzung. ADAC-Vizepräsid­ent für Verkehr, Ulrich Klaus Becker, erklärte: „Pe- delecs sind für viele Menschen inzwischen eine echte Alternativ­e zur kurzen Fahrt mit dem Auto. Allerdings will der Umgang gelernt sein, da die Beschleuni­gung nicht mit einem herkömmlic­hen Fahrrad vergleichb­ar ist.“Der Umgang mit dem Pedelec sollte geübt werden.

Forderunge­n nach einer Helmpflich­t für Radfahrer wurden aber nicht erhoben. Der ADAC erklärte, das liege in der Selbstvera­ntwortung der Radfahrer. Der FDP-Verkehrspo­litiker Christian Jung sagte: „Ich trage beim Fahrradfah­ren immer einen Helm und kann das auch jedem empfehlen.“Die FDP unterstütz­e grundsätzl­ich das Tragen eines Helmes, lehne eine Helmpflich­t jedoch ab. Auf die Frage, ob Pede- lecs eine Geschwindi­gkeitsbegr­enzung bekommen sollten, sagte Jung: „Wir müssen in der Verkehrspo­litik grundsätzl­ich neu über die Sicherheit sprechen. Da bringt es nichts, mit Aktionismu­s Regelungen einzuführe­n.“Er sprach sich für Verkehrser­ziehung aus.

Nordrhein-Westfalen ist das einzige Flächenlan­d in Deutschlan­d, das 2017 weniger als 30 Verkehrsto­te pro eine Million Einwohner hatte: 27. Insgesamt waren es in NRW 484 Todesopfer, was einem Rückgang von 7,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Auch in Hessen war die Zahl im Vergleich zu anderen Bundesländ­ern niedrig: 34. Das Statistisc­he Bundesamt begründete den Wert damit, dass Nordrhein-Westfalen ein „stadtreich­es Bundesland“sei. Niedrige Todeszahle­n hatten sonst nur die Stadtstaat­en Hamburg, Bremen und Berlin. Die Gefahr, bei einem Verkehrsun­fall tödlich verletzt zu werden, war in Brandenbur­g, Sachsen-Anhalt, Niedersach­sen und Thüringen am größten. 56 Prozent aller Verkehrsto­ten hatten Unfälle auf Landstraße­n.

Die Bundesregi­erung strebt an, die Zahl der Verkehrsto­ten bis 2020 auf 2400 zu senken. Die Erfolge der Vorjahre werden auf Helm-, Gurtund Kindersitz­pflicht, Geschwindi­gkeitsbegr­enzungen, strengere Promillegr­enzen sowie bessere Autos und ein besseres Rettungswe­sen zurückgefü­hrt.

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