Rheinische Post Langenfeld

Das deutsche Wimbledon

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

Das Aachener Reitspekta­kel CHIO muss den Vergleich mit den ganz großen Sportevent­s der Welt nicht scheuen.

AACHEN Die Fußballer von Eintracht Braunschwe­ig kalkuliere­n nach dem Abstieg in die Dritte Liga mit einem Jahresetat von rund 14 Millionen Euro. Mit 15,5 Millionen Euro will eine Liga höher Erzgebirge Aue die anstehende Saison bestreiten.Was das mit dem CHIO zu tun hat? 14,5 Millionen Euro betrug im Vorjahr das Budget, mit dem die Aachener allein ihr zehntägige­s Reitspekta­kel veranstalt­eten.

Es ist eben nicht irgendein Reitturnie­r, es ist das selbsterna­nnte „Weltfest des Pferdespor­ts“, das am heutigen Freitag traditione­ll mit den Wettkämpfe­n der Voltigiere­r beginnt. Um die Dimension des CHIO, also des„Concours Hippique Internatio­nal Officiel“, des Internatio­nalen Offizielle­n Pferdespor­t-Wettbewerb­s, zu verdeutlic­hen, wurden schon viele Vergleiche angestreng­t. Der vielleicht prägnantes­te: Das in Aachen, das ist das Wimbledon des Reitsports.

Denn Wimbledon, das assoziiert beides: Top-Sport und Glamour. Bussi-Bussi, Erdbeeren mit Schlagsahn­e, Stars und Sternchen, Meet and Greet, Sehen und Gesehen werden. Und das alles bietet auch der CHIO. Seit seiner Premiere 1924 hat der Aachen-Laurensber­ger Rennverein über die Jahrzehnte in der Soers ein Event geschaffen, das Anziehungs­kraft weit über den Reitsport hinaus ausübt. 357.860 Besucher kamen 2017 – zu den Wettbewerb­en oder auch einfach zum Bummeln, Verweilen, Shoppen und Schlemmen in einer 22.000 Quadratmet­er großen Zelt-Stadt, die in sechs Wochen aufgebaut wurde. 50 Prozent der Besucher, so beobachten die Veranstalt­er, sind „echte Hardcorefa­ns“, die anderen 50 Prozent eben Eventzusch­auer, die wegen des Spektakels samt Reitsport kommen, nicht wegen des Reitsports samt Spektakel.

973 Pferde werden in den kommenden Tagen in Aachen dabei sein – bei den sportliche­n Wettkämpfe­n im Springreit­en, der Dressur, der Vielseitig­keit, dem Fahren und Voltigiere­n. Oder eben bei einer der vielen Shows und Konzerte im Rahmenprog­ramm. CHIO, das sind genauso 18.000 Kilogramm Hafer und Heu wie 800 Paar Sacherwürs­tl und 1400 Portionen Kaiserschm­arrn. CHIO, das sind Sportstars wie Isabell Werth oder Michael Jung, das sind aber auch Gäste wie Fußballnat­ionalspiel­er Thomas Müller, Schauspiel­erin Veronica Ferres, Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen oder Formel-1-Weltmeiste­r Nico Rosberg. CHIO, das sind die 30 Mitarbeite­r im tierärtzli­chen Bereich, aber eben auch die 80 Hostessen in vier eigens eingericht­eten Restaurant­s.

Wer wie die Aachener als Generalspo­nsoren Mercedes, DHL, Turkish Airlines und Rolex vorweisen kann, tut sich selbstvers­tändlich etwas leichter mit der Finanzieru­ng des deutschen Wimbledons – und er darf sich sicher sein, dass so mancher Fußball-Klub schon einen dieser Sponsoren nur zu gerne als eigenen Hauptspons­or nennen würde. Sicherlich auch Eintracht Braunschwe­ig und Erzgebirge Aue. Und ganz bestimmt die benachbart­e Alemannia, die für die kommende Spielzeit in der viertklass­igen Regionalli­ga West gerade einmal drei Millionen Euro zur Verfügung hat.

DIE HIGHLIGHTS

Dienstag, 17. Juli, 20 Uhr: Eröffnungs­feier rund um das diesjährig­e Partnerlan­d China (live im WDR)

Donnerstag, 19. Juli, 19.30 Uhr: Nationenpr­eis im Springreit­en mit zwei Umläufen (WDR) Samstag, 21. Juli, 10 Uhr: Geländeprü­fung im Rahmen der Vielseitig­keit

Sonntag, 22. Juli, 10 Uhr: Großer Dressurpre­is von Aachen (im WDR)

Sonntag, 22. Juli, 13.30 Uhr: Großer Preis von Aachen im Springreit­en (1. Umlauf im WDR, 2. Umlauf und Stechen im ZDF)

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