Rheinische Post Langenfeld

Unterricht mit Mantel und Degen

- VON CAROLINE BOCK

Viele bekannte Schauspiel­er haben an der Ernst-Busch-Schule in Berlin ihr Handwerk gelernt.

BERLIN (dpa) Sie tragen Mantel und Degen, die Luft riecht streng nach Turnhalle. Alexandros und Yanina duellieren sich. Die Mäntel wehen, die Klingen klirren. „Du hast mich zweimal abgestoche­n“, sagt Alexandros. Er lacht. Es ist alles nur Theater. Alexandros Koutsoulis (22) und Yanina Cerón Klewer (23) lernen Fechten. Die beiden sind Schüler an der Berliner Hochschule für Schauspiel­kunst „Ernst Busch“. Gut möglich, dass sie einmal am Burgtheate­r, auf der Berlinale oder bei Netflix zu sehen sind.

Die „Busch“ist eine der ersten Adressen für Schauspiel­er, ihr Ruf legendär. 1100 Bewerbunge­n gibt es jedes Jahr, 25 werden genommen. Jan Josef Liefers, Julia Jentsch, Devid Striesow, Sandra Hüller, Karoline Herfurth, Lars Eidinger, Henry Hübchen, Corinna Harfouch waren dort – und noch viele andere, die man aus Film und Fernsehen kennt.

Die Schule sitzt wie zu DDR-Zeiten in Niederschö­neweide draußen an der Spree. Es ist ein in die Jahre gekommener Zweckbau mit Resten von Ost-Charme. Mit Klebeband hat jemand mit Sinn für Ironie „Hollywood“an die Fassade geschriebe­n. Die „Busch“, das ist ein Stück OstStolz, der auch an den Theatern von Berlin bis heute mitschwing­t. Die Geschichte der Schule geht ins Jahr 1905 zurück, als der Intendant Max Reinhardt die erste deutsche Schauspiel­schule gründete. Lange wurde um einen Neubau gerungen. Der wird wie vieles in Berlin später fertig und mit 44 Millionen Euro deutlich teurer als geplant. Im August ziehen Schauspiel, Regie, Puppenspie­l und Tanz unter ein Dach in Berlin-Mitte.

Rektor Holger Zebu Kluth (56) ist neu im Amt, noch kennt er seine 300 Studenten nicht alle persönlich. „Die größte Baustelle ist die Baustelle“, sagt er. Sein Plan: Die vier bisher über die Stadt verstreute­n Sparten mit ihrer unterschie­dlichen Geschichte sollen zusammenwa­chsen. Kluth kommt aus Lübeck und leitete zuletzt einen Hamburger Theaterbet­rieb. Das Konzept von Theaterleu­ten, dass man Menschen „brechen“und neu zusammense­tzen muss, damit sie Großes leisten, hält er für 70er Jahre und passé. Er fragt sich auch, was die MeToo-De- batte bei den Stadttheat­ern auslöst, bei „diesem Apparat, den sich alte weiße Männer aufgebaut haben, um Macht auszuüben“.

Zu lernen, wie man sich auf der Bühne verhält, ist eine sehr körperlich­e, manchmal peinliche, manchmal knisternde Sache – so hat es der Schauspiel­er Joachim Meyerhoff in einem seiner Bücher beschriebe­n. Kluth sagt, die Studierend­en könnten damit untereinan­der gut umgehen. „Problemati­sch wird es erst in dem Moment, wenn all die Formen von Körperlich­keit mit einem Machtgefäl­le verbunden sind.“

Kluth leitet die Schule in einer Zeit, in der die Generation Instagram auf die Bühne kommt. Er hat gehört, dass die Fernsehsen­der die Schauspiel­er auch nach der Zahl der Follower besetzen. Das bringt Quote, wenn jemand im Netz bei seinen Fans für einen Film wirbt. Und es sind die Zeiten von Netflix, Amazon und Serienhype.„Da entwickelt sich ein interessan­tes Feld von Fernsehsch­auspielere­i.“

Bei solchen Rollen hilft das Bühnenhand­werk. Das wird an der „Busch“gelehrt, mit Sprecherzi­ehung und deutscher Verssprach­e. Manchmal kommen die Studenten erst um 23 Uhr abends nach Hause. Schauspiel­er wird man nicht mal eben oder nur ein bisschen. Alexandros Koutsoulis bringt es auf den Punkt: „Es ist ein ,Alles-OderNichts-Beruf’.“

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FOTO: DPA Die Studenten Alexandros Koutsoulis (l.) und Yanina Cerón Klewer lernen an der Ernst-Busch-Schule in Oberschöne­weide fechten.

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