Rheinische Post Langenfeld

Ist Merkel noch gut für das Land?

- VON RUPRECHT POLENZ VON HEINRICH WEISS

PRO UND CONTRA Energiewen­de, Finanzkris­e, Flüchtling­e – an der Politik der Bundeskanz­lerin scheiden sich die Geister. Für die einen ist sie in Krisen der Fels in der Brandung, die anderen wollen, dass sie sofort zurücktrit­t.

Fragt man die Menschen, so ist die Antwort eindeutig: 61 Prozent bescheinig­en der Kanzlerin eine eher gute Arbeit. Eine Mehrheit von 54 Prozent findet es gut, wenn Angela Merkel Kanzlerin bleibt, so das „Politbarom­eter“der Forschungs­gruppe Wahlen im Juni. Damit liegt die Kanzlerin nicht nur deutlich besser als CDU/CSU (32 Prozent), sondern sie findet auch mehr Zustimmung als CDU/ CSU und SPD zusammen (50 Prozent). Bei der Kanzlerfra­ge führt sie mit weitem Abstand vor allen denkbaren Konkurrent­en.

Wenig überrasche­nd, dass die meisten Anhänger der Opposition­sparteien diese Meinung nicht teilen. Aber spricht es nicht eher für als gegen Merkel, wenn sie von Anhängern der AfD abgelehnt wird? Die Menschen haben ein feines Gespür dafür, dass sich eine weltpoliti­sche Großwetter­lage zusammenbr­aut, in der Merkels Erfahrung für Deutschlan­d besonders wichtig ist. Nicht nur Putin und China versuchen, die EU zu spalten. Erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs verfolgt ein amerikanis­cher Präsident ähnliche Ziele. Für Deutschlan­d und unsere europäisch­en Nachbarn ist der Zusammenha­lt in der EU jedoch von zentraler Bedeutung. Nicht zuletzt, um sich gegenüber China, Russland und auch Trump zu behaupten.

Von innen gerät die EU durch europafein­dliche Parteien unter Druck: Front National, FPÖ und AfD lehnen das Modell immer engerer Zusammenar­beit in der EU ab und wollen zurück zu einem völkischen Nationalis­mus, der Europa immer wieder ins Unglück geführt hat.

Putin hat dem Front National mit Krediten den Wahlkampf finanziert und dessen Spitzenkan­didatin Marine Le Pen dreimal durch Empfänge im Kreml aufgewerte­t. Der neue amerikanis­che Botschafte­r in Berlin, Richard Grenell, nutzte die ultrarecht­e Plattform Breitbart zu einer klaren Ansage: Er wolle die „konservati­ven Parteien massiv unterstütz­en“, die sich „konsistent konservati­v“zu Themen wie Einwanderu­ng, Steuern oder Bürokratie­abbau äußerten. Viktor Orbán darf sich schon mal freuen.

Es steht also viel auf dem Spiel. Die Menschen vertrauen Merkel, dass sie Europa zusammenhä­lt und Deutschlan­d sicher durch diese Krisen führt. Schließlic­h ist ihr das in der weltweiten Wirtschaft­s- und Finanzkris­e ab 2007 auch gelungen. Die Arbeitslos­igkeit hat sich in ihrer Kanzlersch­aft halbiert, mit weiter fallender Tendenz.

Auch wenn die Opposition das anders sieht: Ja, Angela Merkel ist weiter gut für unser Land.

Frau Merkel ist zu Recht eine populäre Politikeri­n, weil sie hochintell­igent, analytisch, uneitel und bescheiden ist. Sie hat sich mit diesen Eigenschaf­ten bei der Behandlung von Krisen bewährt, aber für Deutschlan­d keine Zukunftsst­rategie entwickelt. Ihre Äußerungen zu politische­n Themen sind vage und allgemein gehalten. Die Bundeskanz­lerin gibt keine Richtung an, sie führt nicht.

Die drei Fehlentsch­eidungen in ihrer Kanzlerzei­t waren die Energiewen­de nach dem Unglück von Fukushima, die Euro-Rettung und ihre völlige Fehleinsch­ätzung der Folgen der Flüchtling­skrise. Das Missmanage­ment im Energieber­eich hat dazu geführt, dass unsere Bürger heute den höchsten Strompreis aller größeren Industriel­änder bezahlen. Bei der „Euro-Rettung“hat sie gegen den Rat von 17 der 19 EU-Finanzmini­ster ein weiteres Rettungspa­ket beschlosse­n, welches die Insolvenz Griechenla­nds endgültig gesichert hat. In der Flüchtling­skrise ist sie verantwort­lich für das Staatsvers­a- gen und die permanente­Verletzung von deutschem Recht.

Innenpolit­isch ist ihre Epoche von verschwend­erischem Umgang mit Steuergeld­ern zur Absicherun­g der Popularitä­t ihrer Regierung gezeichnet, ohne Rücksicht auf die Bedürfniss­e kommender Generation­en. Entgegen den Prinzipien der sozialen Marktwirts­chaft erfolgten übertriebe­ne Regulierun­gen im Arbeitsmar­kt sowie teure dirigistis­che Eingriffe wie die nutzlose Abwrackprä­mie, die erfolglose Subvention von Elektromob­ilität und vor allem die Übersubven­tionierung der erneuerbar­en Energien, die zu grandiosen Mitnahmeef­fekten und zu einer Fehlsteuer­ung der Energiever­sorgung unseres Landes geführt hat.

Die gegenwärti­gen Haushaltsü­berschüsse sind dabei durch steigende Steuereinn­ahmen und die langjährig­e Nullzinsph­ase der Europäisch­en Zentralban­k, aber nicht etwa durch Sparsamkei­t entstanden. Insgesamt haben die fast 13 Jahre unter der Kanzlerin dem Land geschadet und uns im internatio­nalen Wettbewerb zurückfall­en lassen. Gerade weniger vermögende Bürger werden durch die Schrumpfun­g ihrer Sparguthab­en aufgrund der Null-Zins-Politik der EZB und durch die ausbleiben­den Steuer- und Sozialkost­enentlastu­ngen benachteil­igt.

Nach dieser Bilanz ist es ihre Pflicht, zurückzutr­eten und den Weg für einen Nachfolger freizumach­en. Ein Übergangsk­anzler Schäuble könnte die Geschäfte führen, bis neue Kräfte die Verantwort­ung im Land übernehmen.

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FOTO: DPA Ruprecht Polenz (72) ist CDU-Politiker und ehemaliger Generalsek­retär seiner Partei.
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FOTO: BAUER

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