Rheinische Post Langenfeld

Die künftigen Rentenleis­tungen sind kaum zu finanziere­n

- VON EVA QUADBECK

ANALYSE Arbeitsmin­ister Hubertus Heil strebt Generation­engerechti­gkeit an. Die Kosten seiner Reformen aber zahlen die Jungen. Angesichts des demografis­chen Wandels wird es darauf ankommen, tatsächlic­h eine gerechte Aufteilung zwischen Alterssich­erung und Belastung der jüngeren Generation zu erreichen.

BERLIN Wie vor vier Jahren startet die große Koalition mit einer umfassende­n und teuren Rentenrefo­rm. Auch wenn der Arbeitsmin­ister beteuert, er wolle die Generation­en nicht gegeneinan­der ausspielen, profitiere­n vor allem die Älteren.

Wem nützt die Rentenrefo­rm?

Die Nutznießer der geplanten Regelungen für ein stabiles Rentennive­au sind Rentner und rentennahe Jahrgänge, also Arbeitnehm­er ab Mitte 50. Für sie wird sichergest­ellt, dass sie bei ihrem Lebensstan­dard im Ruhestand keine zu großen Abstriche machen müssen. Ein dickes Plus bei der Rente gibt es für Mütter mit drei und mehr Kindern, die vor 1992 auf die Welt kamen. Für Mütter mit nur einem oder zwei Kindern ist keine Rentenerhö­hung vorgesehen. Über diese Ungleichbe­handlung dürfte es noch eine heiße Debatte geben. Geringverd­iener können durch niedrigere Beitragsza­hlungen für die Rente bis zu 270 Euro pro Jahr sparen. Erwerbsgem­inderte, also jene, die aus gesundheit­lichen Gründen nicht arbeiten können, sollen weniger Abschläge hinnehmen müssen.

Können wir uns das leisten?

In der aktuellen wirtschaft­lichen Lage stellen die zusätzlich­en Rentenleis­tungen kein Problem da. Alle Sozialkass­en – außer der Pflegevers­icherung – erwirtscha­ften wegen der hervorrage­nden Lage am Arbeitsmar­kt Überschüss­e. Der Beitragssa­tz zur Arbeitslos­enversiche­rung kann 2019 sinken. Auch bei der Rente wäre eine Beitragssa­tzsenkung drin. Auf diese müssen Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r aber verzichten, weil die zusätzlich­en Leistungen die Rentenvers­icherung künftig auch bei weiter gut laufender Konjunktur unter Druck setzen werden.Während das Rentennive­au stabil bleibt, wird Anfang der 20er Jahre der Beitragssa­tz steigen müs- sen. Auch die Zuschüsse aus dem Bundeshaus­halt wachsen. Mit der steigenden Zahl von Senioren bei rückläufig­er Zahl jüngerer Arbeitnehm­ern werden die beschlosse­nen Leistungen in zehn Jahren kaum noch zu finanziere­n sein.

Beugen die geplanten Regelungen der Altersarmu­t vor?

Nur teilweise. Mit einer steigenden Mütterrent­e kann es einigen Seniorinne­n gelingen, aus der Grundsiche­rung im Alter herauszuko­mmen. Doch wer es auch mit der Mütterrent­e nicht über diese Schwelle schafft, bleibt arm. Denn die Mütterrent­e wird auf die Sozialhilf­e angerechne­t. Der niedrigere Beitragssa­tz für Geringverd­iener hilft diesen Arbeitnehm­ern heute. Da ihre künftige Rente sich dadurch nicht verringert, wächst das Risiko der Altersarmu­t nicht. Wer eine Erwerbsmin­derungsren­te braucht, gehört auch zur Risikogrup­pe. Die geplante Neuregelun­g dämpft das Problem nur ein wenig.

Wie groß ist das Problem der Altersarmu­t?

Heute ist das Problem der Altersarmu­t deutlich geringer als beispielsw­eise das Problem der Kinderarmu­t bei den unter 15-Jährigen, bei denen 15 Prozent als arm oder armutsge- fährdet gelten. Nur 3,1 Prozent der Menschen über 65 Jahre sind auf Grundsiche­rung angewiesen. Allerdings ist der Anteil – wenn auch von sehr geringem Niveau kommend – in den vergangene­n Jahren deutlich gestiegen. Ohne Gegenmaßna­hmen wird die Altersarmu­t zunehmen.

Wie sehen die Herausford­erungen der Zukunft aus?

Angesichts des demografis­chen Wandels wird es darauf ankommen, eine gerechte Aufteilung zwischen Alterssich­erung und finanziell­er Belastung der jüngeren Generation zu finden. Eine Rentenkomm­ission soll dazu bis 2020 Vorschläge machen.

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