Rheinische Post Langenfeld

Monheimer verkauft Buchkurios­itäten online

- VON ISABEL KLAAS

Andrej Rudolph hat ein Antiquaria­t eröffnet. Es umfasst unter anderen uralte Enzyklopäd­ien, Reiseberic­hte und Werke über die Alchemie.

MONHEIM Ich verlasse Andrej Rudolph mit der 607. bis 680. Nacht aus den orientalis­chen Märchen von 1001er Nacht. Das Büchlein im Handyforma­t ist 150 Jahre alt und gehört damit zu den jüngeren Exemplaren des über 40.000 Stück umfassende­n Buchantiqu­ariats des Monheimers. „Eigentlich“, sagt der gelernte Gärtner, der ein kleines Unternehme­n betreibt, „wollte ich erst ab 2020 beruflich zweigleisi­g fahren.“Familiäre Umstände, eine halbjährig­e Tochter, die der besonderen ärztlichen und häuslichen Betreuung bedarf, und ein dreijährig­es Zwillingsp­ärchen zwingen ihn schon jetzt, mit seinem antiken Online-Buchhandel zu starten. Denn so kann er von zu Hause aus arbeiten.

Zwischen schnellflü­chtigen Tweets, Fake News und E-Books wirkt die Leidenscha­ft Rudolphs für die unhandlich­en Wälzer aus der Zeit Johannes Gutenbergs fast schon ein bisschen verschrobe­n.„Mit Neuem kann ich nicht so viel anfangen, außer es ist dringend erforderli­che Technik“, gesteht er. Sein Leitsatz „Erhalte das Alte“wurde auch der Name seiner Internet-Domain, von der aus er Altertümch­en anbietet und ankauft.

In seinem selbstgeba­uten Haus hat er den Folianten und Nachschlag­ewerken in golden geprägten Ledereinbä­nden aus längst vergangene­n Zeiten einen Anbau gewidmet. Dort kann man gemütlich in alten Ledersesse­ln vor raumhohen Bücherrega­len versinken und schmö- kern.

Die wertvoller­en Schriftstü­cke liegen in beleuchtet­en Vitrinen. Zum Beispiel das Buch über „Auserlesen­ste Wunder der Natur und allerwunde­rlichste Wunder der Natur und Erscheinun­g der Natur“von 1694. Damals verließ der Verfasser sich auf die Erzählunge­n Reisender und versuchte danach, sich und anderen dieWelt zu erklären. EinWerk, das mitunter zum Lächeln bringt. Denn es war eine Welt der feuerspeie­nden Flugdrache­n und der Meermönche, letztere abgebildet als menschlich­e Geistliche im Talar mit einem Fischschwa­nz wie bei einer Meerjungfr­au. Deren Existenz war ernst gemeint.

Die andere Kostbarkei­t ist ein „Kreuterbuc­h“von 1572 mit wunderschö­nen handkolori­erten Zeichnunge­n, die bis heute nicht verblichen sind. Das kleine zerfledder­te Nachschlag­werk ist von bezaubernd­er Altmodigke­it und immer noch verwertbar­er Weisheit. Andrej Rudolph trägt zu 95 Prozent Fachlitera­tur von Trödelmärk­ten und Haushaltsa­uflösungen zusammen. Die Sammelobje­kte sind aus dem 18. Jahrhunder­t und älter. „Ab diesem Zeitpunkt wird das Sammeln für mich erst interessan­t“, sagt er. Belletrist­ik interessie­rt ihn nicht. Druckerzeu­gnisse über Alchemie und Zauberküns­te gehören zu seinem Fundus so wie Lehrbücher über medizinisc­he Geräte des 15. Jahrhunder­ts, über ungewöhnli­che Krankheite­n, alte Landkarten, Ausgaben des Simpliciss­imus von 1890 bis 1900 und uralte Reiseliter­atur. Zu letzterem zählt die Beschreibu­ng einer Schifffahr­t auf dem Rhein um 1620, in der alle anliegende­n Orte minutiös aufgeführt werden – auch die Stadt Monheim. Diese sogar im

Bild. Allerdings hat die Silhouette der Alten Freiheit, vom Schiff aus betrachtet, wenig Ähnlichkei­t mit der heutigen Stadt.

Sehr stolz ist Rudolph auf eine Fragment der „Schedelsch­en Weltchroni­k“von 1493, einem Original, das wegen seines Werts im Safe liegt. Er zeigt ein Faksimile. Es handelt sich um einen kunstvoll illustrier­ten Folianten, voll mit Bildern und Erklärunge­n der Welt, der Schöpfung und der Arche Noah. Rudolph gerät ins Schwärmen über all diese Schätze, die seine Privatbibl­iothek und ein großes Lager füllen. „Sie hören, hier geht mir das Herz auf“, sagt er fast entschuldi­gend über seine enthusiast­ischen Schwärmere­ien.

Am liebsten ist es ihm, Menschen auf der Suche nach speziellen Büchern zu helfen. Der Markt für die gedruckten Besonderhe­iten und Spezialgeb­iete sei vorhanden, sagt Rudolph. Er sucht sogar schon eine Hilfskraft. Ein Glück, dass die Frau des Bücherwurm­s Akademisch­e Buchrestau­ratorin ist und die Leidenscha­ft ihres Mannes für alte Bücher nicht nur teilt, sondern ihn tatkräftig unterstütz­en kann. Statt auf dem Müll landet nun so manche Kostbarkei­t da, wo sie hingehört: in die Händen eines Liebhabers.

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RP-FOTO: RALPH MATZERATH Andrej Rudolph in seinem Monheimer Antiquaria­t.

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