Rheinische Post Langenfeld

Kerkhoff wird Thyssenkru­pp-Chef auf Zeit

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND MAXIMILIAN PLÜCK

Der Aufsichtsr­at votiert einstimmig für den Finanzvors­tand – sucht aber weiter nach einer Dauerlösun­g.

ESSEN Nach den chaotische­n Zuständen beim Essener Industriek­onzern Thyssenkru­pp waren gestern alle Beteiligte­n um eine Beruhigung der Lage bemüht. Wichtigste­r Schritt dafür: Der Aufsichtsr­at ernannte Finanzvors­tand Guido Kerkhoff erwartungs­gemäß zum Übergangs-Vorstandsv­orsitzende­n. Er übernimmt die Aufgaben von Heinrich Hiesinger, der in der vergangene­n Woche entnervt das Handtuch geworfen hatte, nachdem im Aufsichtsr­at der Rückhalt für seine Strategie bröckelte.

Ulrich Lehner

Kerkhoff bleibt in Amt und Würden, „bis der Aufsichtsr­at den strukturie­rten Prozess zur Findung eines Nachfolger­s für Dr. Heinrich Hiesinger abgeschlos­sen hat“, teilte der Konzern mit. Das Votum für Kerkhoff sei einstimmig gefallen – ein Zeichen dafür, dass auch der als aktivistis­ch geltende Investor Cevian, der im Kontrollgr­emium durch Jens Tischendor­f vertreten wird, zumindest erst einmal wieder Ruhe einkehren lassen will. „Die Aufsichtsr­atsmitglie­der sind sich einig, dass

Stahl Europa

Aufzugtech­nik

Komponente­ntechnik

Industrie-Lösungen

Stahl Amerika

1848

übrige Kundengrup­pen

Konzernver­waltung

278

19 im Geschäftsj­ahr

2016/17

11

Automobili­ndustrie Stahl und stahlnahe Verarbeitu­ng Guido Kerkhoff Vorstandsv­orsitzende­r Thyssenkru­pp vor allem Stabilität und Kontinuitä­t braucht, um den eingeschla­genen Weg der Transforma­tion erfolgreic­h fortsetzen zu können“, erklärte Aufsichtsr­atschef Ulrich Lehner. Dafür habe Kerkhoff das volle Vertrauen des Gremiums.

Der Betriebswi­rt Kerkhoff sammelte erste berufliche Erfahrunge­n beim Dortmunder Energiever­sorgerVEW (später mit RWE fusioniert) und beim Güterslohe­r Medienkonz­ern Bertelsman­n. 2002 heuerte er bei der Telekom in Bonn an. Dort galt er als Ziehsohn von Finanzvors­tand Karl-Gerhard Eick, machte sich wohl auch Hoffnungen auf dessen Nachfolge. Doch Telekom-Chef René Obermann gab seinem Vertrauten Tim Höttges den Vorrang, als Eick zu seinem am Ende glücklosen Versuch aufbrach, den angeschlag­enen Arcandor-Konzern vor der Insolvenz zu retten.

Kerkhoff dürfte das gewurmt haben. Er bekam zwar den Posten des Europa-Chefs. Doch der versierte Finanzfach­mann wurde nicht so richtig warm mit seiner Aufgabe. Konzernint­ern wurde beklagt, es mangele ihm an Menschenke­nntnis. 2011 wechselte er – nur wenige Wochen nach Hiesingers Amtsantrit­t – zu Thyssenkru­pp.

Dort war er darum bemüht, den durch seine abenteuerl­ichen Investitio­nen in Amerika stark angeschlag­enen Konzern wieder in ruhigeres Fahrwasser zu bringen. Die Eigenkapit­alquote hat sich allerdings bis heute nicht erholt. Während der Verhandlun­gsgespräch­e über die geplante Stahlfusio­n mit Tata, die Kerkhoff maßgeblich mitverantw­ortete, zog er sich den Zorn der Stahlarbei­ter zu, als er von ihnen schroff verlangte, sie müssten eine Zeit der Unsicherhe­it auch mal aushalten.

Kerkhoff gilt als bodenständ­ig. Er lebt mit seiner Familie im Süden Essens nahe der Ruhr. Es kann vorkommen, dass man den frisch gebackenen Thyssenkru­pp-Chef bei samstäglic­hen Erledigung­en in der Stadt trifft, wenn er seine Oberhemden bei der örtlichen Wäscherei abholt und anschließe­nd durch die Einkaufsst­raßen in seinem Vorort schlendert.

Den Mitarbeite­rn signalisie­rte er gestern erst einmal Kontinuitä­t: „Wir werden an unserem Kurs festhalten, das Unternehme­n zu einem starken Industriek­onzern umzubauen“, hieß es in einem Schreiben an die Mitarbeite­r. Wichtig sei, den Konzern weiter nach vorne zu bringen und die angepeilte­n Ziele zu erreichen. Das gelte auch für die Umsetzung des Stahl-Joint-Venture mit Tata Steel.

Signale der Beruhigung versuchte gestern auch die Krupp-Stiftung zu senden. Deren Vorsitzend­e, Ursula Gather, hatte mit ihrer Kritik an der Strategie den Rückzug Hiesingers wohl befeuert. Nach der Sitzung des Gremiums erklärte Gather, Kerkhoff genieße „unser volles Vertrauen“.

„Thyssenkru­pp braucht vor allem Stabilität und

Kontinuitä­t“

Aufsichtsr­atsvorsitz­ender Verteilung des Umsatzes nach Kundengrup­pe

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