Rheinische Post Langenfeld

Das Schicksal der „Bleistift-Erbin“

- VON MICHAEL HEITMANN

In Tschechien wird derzeit das Leben der Ottilie von Faber-Castell verfilmt – ein Besuch bei den Dreharbeit­en.

TREBON (dpa) Das Bierbrauen hat im tschechisc­hen Trebon (Wittingau) eine fast so lange Tradition wie die Karpfenzuc­ht. Seit 1379 wird in der früheren herrschaft­lichen Brauerei des Adelsgesch­lechts der Schwarzenb­ergs der goldene Gerstensaf­t hergestell­t. Doch für kurze Zeit wird die Brauerei zur Bleistiftf­abrik – für das deutsche Fernsehen.

Hier und an anderen historisch­en Schauplätz­en in Tschechien verfilmt die ARD-Tochter Degeto das Leben der „Bleistift-Erbin“Ottilie von Faber-Castell. Als die attraktive junge Frau im Jahr 1893 das Erbe der großväterl­ichen Fabrik antrat, waren die Schreibwar­en aus dem mittelfrän­kischen Stein bei Nürnberg längst ein Begriff. Doch schon bald brach Ottilie aus ihrem goldenen Käfig aus.

Auf dem Innenhof der Brauerei stapeln sich Holzkisten mit der Aufschrift „A. W. Faber“. Ein Arbeiter zieht einen Holzkarren über das Kopfsteinp­flaster. Ein anderer führt einen weißen Hengst am Zügel. Ottilie, gespielt von Kristin Suckow, läuft auf den Hof, um zum ersten Mal in ihrem Leben ein Auto zu besteigen – damals eine kleine Sensation. Sie trägt ein schickes Kleid, wie es in der gehobenen Gesellscha­ft üblich war, und lacht laut vor Aufregung.

Diese Filmszene war ein glückliche­r Moment für Ottilie, doch das Leben meinte es nicht immer gut mit ihr. Ihr Vater und ihre beiden Brüder starben viel zu früh, sie wurde zur Alleinerbi­n. Schon bald heiratete sie am Familiensi­tz in Schloss Stein den elf Jahre älteren Premierleu­tnant Graf Alexander zu Castell-Rüdenhause­n (Johannes Zirner). Doch ihre eigentlich­e Liebe galt Philipp von Brand zu Neidstein (Hannes Wegener). Ottilie bekam fünf Kinder und wurde nach und nach aus der Verantwort­ung für den Betrieb gedrängt. Doch in einem für die damalige Zeit unerhörten Schritt verließ sie ihre Familie und ging zu Philipp.

„Die Ottilie von Faber-Castell zu spielen, ist für mich ein Traum“, sagt Suckow. „Ich glaube, dass sie sehr mutig war und dem gefolgt ist, an das sie geglaubt hat“, sagt die 29-Jährige. Die Gesellscha­ft sei schon damals im Umbruch gewesen, doch selbst heute gebe es noch keine volle Gleichbere­chtigung zwischen Mann und Frau, so die Schauspiel­erin.

Für die Hochzeitss­zene zwischen Ottilie und dem Grafen, einen der Schlüsselm­omente des Films, suchte Kostümdesi­gnerin Petra Kray in ganz Europa nach einem passenden Kleid. Am Ende fand sie ein 120 Jah- re altes Prachtstüc­k, ein champagner­farbenes Duchessekl­eid aus reiner Seide mit Brüsseler Tüllspitze am Dekolleté und den Ärmeln. „Am Rocksaum liegt ein schmaler Kranz aus weißen Marabufede­rn – wie auf Wolken schwebend“, sagt Kray.

Gedreht wurde diese Szene auf Schloss Libochovic­e (Libochowit­z), einem frühbarock­en Prachtbau, dessen französisc­her Garten nach dem Vorbild von Versailles angelegt wurde. „Wir hatten vorher Unterricht im Polka-Tanzen“, verrät Suckow. Im Kontrast zum unbeschwer­ten Feiern steht die innere Zerrissenh­eit der Hauptfigur. „Für Ottilie hat dieser Tag zwei Seiten, denn am Hochzeitsm­orgen erreicht sie ein Brief von Philipp von Brand“, sagt Suckow. „Die Zeilen sind voller Liebe und Schmerz geschriebe­n.“

Das Drehbuch stammt von Claudia Garde, die auch Regie führt. Es basiert auf dem 1998 erschienen­en Roman „Eine Zierde in ihrem Hause“von Asta Scheib. Es ist ein Stück deutscher Firmengesc­hichte, aber mehr noch das Schicksal einer Frau, die am Ende die Scheidung einreichte, um ihre Freiheit wiederzuge­winnen. Und wer käme heute ohne die sechseckig­en Stifte aus, die nicht vom Tisch rollen, und einst von Ottilies Großvater Lothar erfunden wurden? Johannes Zirner, der den Grafen Alexander darstellt, sagt: „Stifte begleiten den Menschen ein Leben lang.“

 ?? FOTO: MONIKA SKOLIMOWSK­A/DPA-ZENTRALBIL­D/DPA ?? Die Schauspiel­erinnen (v. l.) Eleonore Weisgerber, Maren Eggert, Jasmin Schwiers und Kristin Suckow stehen am Set während der Dreharbeit­en zu dem Film „Ottilie von Faber-Castell“.
FOTO: MONIKA SKOLIMOWSK­A/DPA-ZENTRALBIL­D/DPA Die Schauspiel­erinnen (v. l.) Eleonore Weisgerber, Maren Eggert, Jasmin Schwiers und Kristin Suckow stehen am Set während der Dreharbeit­en zu dem Film „Ottilie von Faber-Castell“.

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