Rheinische Post Langenfeld

Meine Durchlauf-WG

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Anfang Juni bin ich nach Düsseldorf gezogen, nicht für immer, nur zum Praktikum in dieser Redaktion. Mein erstes Mal Wohnen in Düsseldorf, normalerwe­ise studiere ich nämlich in Tübingen. Weil es für mich auch bald wieder zurückgeht, bin ich in eine Zweck-WG gezogen, Wohnen auf Zeit, ohne lästige WG-Castings oder ähnliches. Ich habe genommen, was ich gekriegt habe – Eigenheite­n meiner WG habe ich erst nach dem Einzug festgestel­lt.

Denn meine WG ist von der Sorte, in der man nicht für immer stecken bleiben möchte. Tolle Lage, Oberkassel, auch angemessen teuer, aber leider ohne Wohnungstü­r. Jeden Tag geht das halbe Haus durch unseren Flur. Der ist nämlich auch die Verbindung von zwei Treppenhäu­sern. Alle unsere Zimmer liegen an diesem Gang, immerhin verschließ­bar.

Problemati­scher ist die Küche und unsere Toilette – zu der hat nämlich jeder Zugriff, der zufälliger­weise im Haus unterwegs ist. In der Vergangenh­eit gab es deshalb immer wieder Verstopfun­gen, wahrschein­lich weil irgendwelc­he Kinder ganze Rollen von Toilettenp­apier in die Kloschüsse­l geworfen haben. Daher gibt es dort jetzt maximal eine Rolle Vorrat, ständig muss man eine neue aus dem eigenen Zimmer mitbringen.

Unangenehm ist diese Situation für uns alle, für meine Mitbewohne­r sogar noch mehr als für mich. Die müssen näm- lich über den öffentlich­en Flur aufs Klo gehen – oder aus der Dusche zurück in ihr Zimmer. Mein Zimmer dagegen geht auf den Balkon im Innenhof. Damit kann ich die Strecke, die ich im Hausflur zurücklege­n muss, auf ein Minimum reduzieren. Küche und Dusche erreiche ich über den Balkon, nur für die Toilette muss ich zwei Schritte im Flur selbst machen.

Trotz der Flurproble­matik hat meine Mitbewohne­rin K. sich entschiede­n, ihr gesamtes Referendar­iat in dieser WG zu verbringen. Aber mit etwas mehr als einem Jahr ist K. nicht einmal die ausdauernd­ste Mieterin. Mein Mitbewohne­r F. wohnt praktisch schon immer in unserer WG. Alle drei Monate unterschre­ibt er einen neuen Mietvertra­g. Eine längere Laufzeit will er nicht. „Das hier ist nur für kurz, zur Überbrücku­ng, bis ich was anderes habe“, sagt F., wenn man ihn danach fragt. Seit vier Jahren.

Ich verstehe K. und F. nicht. Klar, die Lage ist super. Klar, die Zimmer sind auch in Ordnung. Aber es ist auch teuer – und ohne Wohnungstü­r. Ich bin froh, wenn ich wieder eine Tür habe, hinter der ich auch im Schlafanzu­g auf die Toilette gehen kann.

Charlotte Geißler

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FOTO: GOERTZ Unsere Autorin studiert Rhetorik und Germanisti­k in Tübingen.

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