Raffael will Spaß haben
Borussia Mönchengladbachs Brasilianer hat in Alassane Plea neue Konkurrenz. Das kann belasten, aber auch Entlastung sein.
MÖNCHENGLADBACH Auf dem Instagram-Account von Borussia Mönchengladbach gibt es ein Foto, das Raffael im Training bei einem Kopfball zeigt. Er steht förmlich in der Luft, mit einem langen Ausfallschritt. Der Ball ist längst unterwegs in Richtung Tor, und im Blick des Brasilianer meint man, wenn auch nur im Profil zu sehen, wilde Entschlossenheit erkennen zu können.
„Raffa is on fire“, hat ein Fan unter das Bild geschrieben und damit wohl exakt den Ist-Zustand des 33-Jährigen beschrieben: Raffael geht in seine sechste Saison als Borusse, die, so sein im nächsten Sommer auslaufender Vertrag nicht verlängert wird, sogar seine letzte sein könnte. Und er hat sich viel vorgenommen. In den vergangenen beiden Spielzeiten war er zu oft verletzt, um der Raffael der ersten drei Jahre zu sein, in denen er jeweils zweistellig traf. Er war selten im Rhythmus, das Hin und Her zwischen Platz und Reha raubte ihm den Spaß, der das Elixier für sein Spiel ist.
Raffael möchte über 2019 hinaus weiterspielen. Es ist also für den Senior im Borussen-Team eine Saison, in der er sich für einen neuenVertrag in Gladbach empfehlen muss – oder eben nicht. Die Frage ist: Wie wird er werden, der späte Raffael, der von sich sagt, dass er sich selbst die 33 Jahre nicht anmerkt? Sein Körper machte ihn in den vergangenen zwei Jahren nicht immer glücklich, weil er öfter streikte, als ihm lieb war.
Raffael ist nach wie vor ein Spieler, der jederzeit und mit nur einer Aktion den Unterschied machen kann. „Maestro“nennen ihn die Mitspieler deswegen voller Hochachtung. Er kann mit einer Bewegung dem Spiel eine Richtung geben, kennt die entscheidenden Räume undWege zum Tor, er ist der Prototyp des „Neuneinhalbers“, der hängenden Spitze, die zugleich Initiator und Torjäger ist. Raffael steht für den von Lucien Favre geprägten Gladbach-Fußball, das Borussen-Tiki-Taka.
Es wird nun für ihn eine neue Situation sein. Fünf Jahre lang war Raffael, zunächst mit Max Kruse, dann mit Lars Stindl, das Grundprinzip des Angriffs. Doch Manager Max Eberl und Trainer Dieter Hecking haben festgestellt, dass sich Borussias Ansatz nach einigen erfolgreichen Jahren etwas abgenutzt hat, dass es schwieriger geworden ist, sich stets und ständig zum Tor zu kombinieren. Es braucht heutzutage wieder mehr Strafraum-Präsenz. Dafür soll nun Alassane Plea sorgen, der für 25 Millionen Euro aus Nizza geholt wurde. Dass Stürmer Plea zunächst gesetzt ist, davon ist auszugehen.
Bislang gab es vor einer Saison kaum eine offensive Idee ohne Raffael, nun schon. Plea mit Thorgan Hazard und Ibrahima Traoré zum Beispiel, das wäre ein Ansatz mit viel Tempo. Aber auch die Variante mit Plea, Hazard oder Traoré „außen“und Raffael im Zentrum wäre denkbar im neuen 4-3-3-System. Oder ein Zweierangriff mit Plea und Raffael. Stindl ist noch verletzt und kommt später bereichernd als Alternative dazu, könnte aber auch im Dreiermittelfeld ein „Achter“sein.
Plea ist ein Konkurrent für Raffael als Mittelpunkt der Gladbacher Offensive. Ist das eine Belastung für „Papi“, wie seine Kollegen wegen seiner vier Kinder den „Vater der Kompanie“inzwischen auch nennen? Oder sogar eine Entlastung? Bislang lastete viel Verantwortung auf Raffael. Lief es bei ihm nicht, tat sich auch das Team schwer. Möglich, dass er nun freier aufspielen kann und wieder den ganz großen Spaß hat.
Zumindest kann er sich Ziele setzen. 56 Liga-Tore hat er für Gladbach gemacht, zwei fehlen ihm zur Top 10 aller Borussia-Torjäger, Zehnter ist derzeit Wilfried Hannes mit 58 Toren. Mit vier Treffern würde er den zweitbesten Ausländer Martin Dahlin einholen. Kommt er auf 31 Einsätze, macht er die 300 Bundesligaspiele voll, neun Liga-Tore fehlen ihm zur 90, 19 zur 100. „Ich freue mich auf die Saison“, stellt Raffael klar. Borussias Fans dürfen das als Versprechen verstehen.