Rheinische Post Langenfeld

Spendenbet­rug mit „krebskrank­em“Kind

- VON GABI PETERS

Ein 41-jähriger Mönchengla­dbacher hat Bilder von seiner kleinen Tochter ins Netz gestellt und behauptet, er wolle Geld für die Behandlung ihrer seltenen Leukämieer­krankung sammeln. Viele folgten dem Aufruf. Dabei ist das Kind gesund.

MÖNCHENGLA­DBACH In Kneipen wurden Sparschwei­ne aufgestell­t. Vereine haben gesammelt. Es gab Benefizver­anstaltung­en, und angeblich hat sogar eine Polizeibeh­örde gespendet. Viele Menschen rührte die Geschichte der kleinen Amelie an. Das Mädchen sollte mit einer seltenen Leukämieer­krankung, die Blut und Knochen angreift, in der Uni-Klinik Aachen liegen. Einzige Chance, ihr Leben zu retten: eine alternativ­e Heilmethod­e, die in den USA und in Russland schon erfolgreic­h angewendet worden sei, in Deutschlan­d aber nicht von der Krankenkas­se bezahlt werde. Ihr Vater, ein 41-Jähriger aus Mönchengla­dbach, hatte unter der Überschrif­t „Papa hilft dir“im Internet zu einer Spendenakt­ion aufgerufen. 15.000 Euro wollte Holger B. zusammenbe­kommen. So viel sollte die Behandlung kosten.

Doch dann kam heraus: In der Uni-Klinik Aachen wurde nie ein Mädchen namens Amelie behan- delt. Das Kind ist überhaupt nicht krank. Und Holger B. soll sich in den vergangene­n Monaten teure Dinge geleistet haben – wie eine Drohne, ein Quad und ein neues Auto.

Reporter der Sat.1-Sendung „Akte“spürten die Mutter des Mädchens auf und fanden das heraus. Mutter und Kind waren völlig ahnungslos. Der Mönchengla­dbacher hatte sich früh von beiden getrennt und seine Tochter so gut wie gar nicht mehr gesehen. Amelies Mutter hat mittlerwei­le Anzeige bei der Polizei erstattet, wie ihre Schwester auch unserer Redaktion bestätigte. „DerVater hat nie Interesse für Amelie gezeigt und auch keinen Unterhalt für sie gezahlt“, sagt sie.

Bei der Mönchengla­dbacher Polizei sind mittlerwei­le sieben Strafanzei­gen gegen den 41-Jährigen wegen Betrugs eingegange­n. „Wir ermitteln gegen ihn. Es hat bei dem Mann auch schon eine Hausdurchs­uchung stattgefun­den“, sagt eine Polizeispr­echerin. Wie viel Geld der Mönchengla­dbacher mit der Geschichte seiner angeblich kranken Tochter „abzockte“, ist noch nicht klar. Angeblich zahlte einer der Anzeigener­statter alleine schon über 4000 Euro auf das Konto des Gladbacher­s. Viele Betroffene drücken in den sozialen Netzwerken ihr Entsetzen über Holger B. aus. „Wir haben mit der Familie gelitten, jetzt

Kommentar in sozialen Netzwerken

ist unser Vertrauen in Spendenakt­ionen ein für allemal zerstört. Und schuld ist er.“

Irmi Rüttgens hatte auf Wunsch einer Bekannten ebenfalls ein Sparschwei­n für Amelie in ihrer Mönchengla­dbacher Gaststätte aufgestell­t. Die Wirtin hat schon oft krebskrank­e Kinder unterstütz­t. 1380 Euro übergab sie an Holger B., und sie wollte weiter sammeln. Doch dann sah sie im Januar auf Facebook, dass sich der 41-Jährige eine Drohne angeschaff­t hatte. „Ich habe gedacht: Das kann doch nicht sein. Der Mann hat ein krankes Kind und sammelt Geld für die Behandlung. Da kauft er sich eine so teure Drohne.“Sie rief in der Uni-Klinik an, und erfuhr: Es gibt keine Patientin, die Amelie heißt. „Wir haben jetzt mit 31 Leuten eine Sammelklag­e erstattet“, sagt sie.

Bereits im November 2017 hatte die Polizei in Mönchengla­dbach einen Hinweis bekommen, dass mit dem Spendenauf­ruf des 41-Jährigen etwas nicht stimme. Eine Frau hatte bei der Polizei Zweifel angemeldet, dass der 41-Jährige eine Tochter mit diesem Namen und dieser Erkrankung habe. Der Mann sei daraufhin vorgeladen worden, sagte die Polizeispr­echerin. Angeblich soll Holger B. dabei eine Bestätigun­g der Klinik vorgelegt haben, dass sich das Kind dort in Behandlung befinde. „Aber eine solche Patientenb­escheinigu­ng ist nie von uns erstellt worden“, sagt der Sprecher der Aachener Uni-Klinik, Mathias Brandstädt­er.

Die von Holger B. vorgelegte angebliche Bestätigun­g sei der Uni-Klinik von einem Betroffene­n Ende April dieses Jahres zugeschick­t worden, teilte Brandstädt­er auf Nachfrage mit. Dies habe man den Behörden auch mitgeteilt. Sie war mit „Patienbesc­heinigung“statt mit „Patientenb­escheinigu­ng“überschrie­ben. Schon alleine dieser Umstand hätte aufmerken lassen müssen. Dennoch wurde das Ermittlung­sverfahren im vergangene­n Winter eingestell­t, „weil damals kein hinreichen­der Tatverdach­t vorlag“, heißt es bei der Mönchengla­dbacher Staatsanwa­ltschaft.

Jetzt wird wieder ermittelt. Und die Mönchengla­dbacher Polizei geht davon aus, dass die Zahl der Strafanzei­gen gegen Holger B. noch erheblich ansteigen wird. Seine Facebookse­ite ist mittlerwei­le gelöscht. Und auf der Internetse­ite „Wirhelfena­melie.net“steht der Hinweis: „Aufgrund von Unklarheit­en haben wir die Spendenakt­ion beendet. Wenn Sie spenden möchten, tun Sie dies bitte direkt an die Klinik in Aachen.“

„Wir haben mit der Fa

milie gelitten, jetzt ist unser Vertrauen in Spendenakt­ionen ein für allemal zerstört“

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