Gerettete Retter
Israel hat rund 800 Mitglieder der syrischen Weißhelme ins Land gelassen. Sie befanden sich offenbar in akuter Lebensgefahr.
JERUSALEM In einer Nacht- und Nebelaktion hat Israel für 800 syrische Weißhelme und deren Familien auf der Flucht den Grenzübergang auf den Golanhöhen geöffnet. Die freiwilligen zivilen Hilfstruppen, die sich vor allem nach Bombenangriffen um Verschüttete und Verletzte kümmern, waren durch das Vorrücken der syrischen Armee selbst in Bedrängnis geraten.
Mit Bussen brachten israelische Soldaten die Syrer in der Nacht zu Sonntag nach Jordanien. Von dort aus sollen sie nach Deutschland, Großbritannien und Kanada weiterreisen. Israels Armee, so heißt es in einer Stellungnahme, sei damit einer Anweisung der israelischen Regierung sowie entsprechenden Aufforderungen „der USA und weiterer europäischer Staaten“nachgekommen. Es handelte sich um eine Hilfsaktion aus humanitären Gründen. Für die syrischen Weißhelme habe unmittelbare Lebensgefahr bestanden.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) bestätigte die Aufnahme der syrischen Weißhelme in Deutschland. Es sei „ein Gebot der Menschlichkeit“, sagte Maas der „Bild“-Zeitung, die die Zahl von 50 Geflüchteten nannte. Das Auswärtige Amt unterstützte die syrischen Weißhelme in den vergangenen Jahren erklärtermaßen mit zwölf Millionen Euro. Die streng geheim gehaltene Rettungsaktion war offenbar Ergebnis wochenlanger multilateraler Absprachen und kam letztendlich überraschend für die Hilfesuchenden, da Jordanien eine Aufnahme lange abgelehnt hatte. Nach eigenen Angaben beherbergt die Monarchie bereits 1,3 Millionen aus Syrien Geflüchtete. Laut Infor- mation der „Jerusalem Post“sollen die syrischen Weißhelme in einer „geschlossenen Zone“nicht länger als drei Monate in Jordanien bleiben. Offenbar spielte Kanada eine zentrale Rolle bei der Rettung der freiwilligen Helfer.
Israel hält sich seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs offiziell an die Strategie der Nichteinmischung. Eine Ausnahme bilden Waffenlie- ferungen an die libanesische Hisbollah, die die israelische Luftwaffe „Dutzende Male“, wie Regierungschef Benjamin Netanjahu selbst einräumte, bombardiert hat. Zudem kam es jüngst zu wiederholten israelischen Angriffen auf Ziele der iranischen Armee und ihrer Handlanger in Syrien. Israels Regierung will unter allen Umständen eine dauerhafte Stationierung iranischer Trup- pen in Syrien verhindern.
Noch amWochenende telefonierte Netanjahu mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, der ihm laut Bericht der konservativen Zeitung „Israel Hajom“versicherte, dass sich in der Grenzregion keine iranischen Truppen aufhalten werden. Russland hatte in den vergangenen Jahren zusammen mit den iranischen Revolutionsgarden an der Seite der Truppen von Syriens Präsident Baschar al Assad gekämpft. Solange sich in Syrien bewaffnete Rebellentruppen befänden, die dem Regime Schaden zufügen wollten, wolle Putin an der Stationierung von Iranern im Landesinneren festhalten, schreibt„Israel Hajom“. Zudem hält Israel unverändert daran fest, die Grenzen für Flüchtlinge aus Syrien geschlossen zu halten, hilft al-
lerdings den Menschen, die in der Pufferzone zwischen den von Israel annektierten Golanhöhen und Syrien Zuflucht suchen, mit Nahrungsmitteln, Medikamenten, Kleidung und Zelten. Seit Kriegsbeginn sind außerdem einige Tausend syrische Kriegsopfer in israelischen Krankenhäusern behandelt worden.
Ejal Sisser, Syrien-Experte an der Universität Tel Aviv, vermutet, dass in Syrien „die Schlacht vorbei ist“. Ob es Präsident Baschar al Assad jedoch gelingen werde, sein Land langfristig zu kontrollieren, hänge auch davon ab, was „die Russen und die Iraner mitzureden haben“. Aus israelischer Sicht sei es „am besten, wenn Assad die volle Kontrolle innehat, die Iraner aus seinem Land wirft und für Ruhe in der Grenzregion sorgt“.
Sisser unterstützt die Politik der Nichtaufnahme von Flüchtlingen. Die Rede sei von „acht Millionen, darunter auch einige Hunderttausend Palästinenser“. In dem Moment, in dem Israel auch nur einen Flüchtling aufnimmt, „kommt es in Erklärungszwang, warum nicht mehr“.