Ein Gefährder muss zurück
Warum das Verwaltungsgericht der Stadt Bochum mit Zwangsgeld droht.
GELSENKIRCHEN Zwölf Jahre lang hat der deutsche Staat versucht, Sami A. loszuwerden. Der Mann, den der Verfassungsschutz als islamistischen Gefährder einstuft, der als früherer Leibwächter des getöteten Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden gilt, sollte dringend in das Land zurück, aus dem er 2001 zum Studium kam: Tunesien. Das wurde Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nach entsprechender Berichterstattung in der „Bild“-Zeitung derart wichtig, dass er A.s Abschiebung zur „Chefsache“erklärte. Er soll in sämtlichen Sitzungen seine Mitarbeiter nach dem Sachstand gefragt haben. Und siehe da, Sami A. ist nun tatsächlich in Tunesien.
Den Weg von Bochum, wo Sami A. zuletzt gelebt hat, über das Abschiebegefängnis in Büren in das Untersuchungsgefängnis Gurjani bei Tunis, wo A. nun einsitzt, bezeichnet das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in einem 22-seitigen Beschluss allerdings als „grob rechtswidrig“. Sami A., so die Kam- mer 7a, hätte nicht nach Tunesien abgeschoben werden dürfen, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass er dort gefoltert wird. Es wäre eine entsprechende Versicherung notwendig, in der tunesische Behörden das ausschließen. Das Gericht entschied also, dass Sami A. zurück nach Deutschland muss.
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
Nun drohen die Gelsenkirchener Richter der Ausländerbehörde der Stadt Bochum mit einem Zwangsgeld von 10.000 Euro. Die Ausländerbehörde habe in den zurückliegenden zehn Tagen nach eigenen Angaben nichts Substanzielles unternommen, um eine Rückführung Sami A.s zu bewirken. Genau das aber erwartet das Gericht. Es reiche nicht, sich auf eine „tatsächliche Unmöglichkeit“der Rückführung zu berufen, wenn es an „tauglichen Schritten“fehle, sie durchzuführen. Sami A. hatte einen entsprechenden Antrag bei dem Gericht gestellt. Die Ausländerbehörde hat nun bis zum 31. Juli Zeit, die Rückführung A.s einzuleiten.
Das Gericht ist wohl auch deswegen recht hartnäckig, weil der Verdacht besteht, dass die Abschiebung A.s von NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) bewusst unter Umgehung der Justiz vollzogen worden ist. Obwohl Stamp wusste, dass das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen noch über ein Abschiebeverbot entscheiden würde, ließ er eine Chartermaschine vom Typ Challenger 604 buchen, um A. von der Bundespolizei nach Tunesien zu bringen. Über den Flug informierte er weder das Gericht noch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Es mag paradox erscheinen, die Rückführung eines abgeschobenen Gefährders nach Deutschland anzuordnen, aber dasVerwaltungsgericht hat wegen des rechtswidrigen Ablaufs der Abschiebung keine andere Wahl.
„Die Ausländerbehörde hat in den zurückliegenden zehn Tagen nichts Substanzielles unternommen“