Die Wutprobe
EU-Kommissionschef Juncker besucht US-Präsident Trump – mit dem Ziel, die nächste Eskalationsstufe im Handelsstreit abzuwenden.
WASHINGTON Es war wohl als Kompliment gedacht, als Donald Trump den Präsidenten der Europäischen Kommission vor Wochen einen „brutalen Killer“nannte. Ein erfahrener, raffinierter Verhandlungsprofi, vor dem man auf der Hut sein müsse, so war es wohl gemeint. So verstand es jedenfalls Jean-Claude Juncker, der am Mittwoch auf schwieriger Mission im Weißen Haus versuchte, Trump zu einem Rückzieher zu bewegen, zumindest zu einem Innehalten. Die Aufgabe: dem Amerikaner die Idee von Autozöllen ausreden, so dass sich transatlantische Handelskonflikte nicht zu einem veritablen Handelskrieg ausweiten und den im Frühjahr beschlossenen Importzöllen auf Stahl und Aluminium nicht ein gegenseitiges Hochschaukeln ohne Aussicht auf Abkühlung folgt.
Bevor der Luxemburger das Oval Office betrat, war es allerdings der Gastgeber, der seine Raffinesse bewies.Via Twitter wiederholte Trump einen früheren Vorschlag, wonach sowohl Amerikaner als auch Europäer auf sämtliche Zölle, Handelshindernisse und staatliche Beihilfen verzichten sollten. „Das wäre dann endlich ein freier Markt und ein freier Handel“, schrieb er. „Ich hoffe, dass sie es tun, wir sind dazu bereit, aber sie werden es nicht sein.“Er hoffe, beide Seiten könnten sich auf einen Handelsdeal verständigen, der gut für jedermann sei, sagte Trump in aller Unverbindlichkeit, als er Juncker im Weißen Haus begrüßte.
Nach einem Bericht des Senders CNBC rang Trump Juncker bei den Verhandlungen tatsächlich Zugeständnisse ab. Die EU solle unter an- derem mehr Soja importieren und Industriezölle senken, berichtete CNBC, während die beiden Männer noch konferierten, unter Berufung auf die Nachrichtenagentur Dow Jones. Die Wall Street verbuchte daraufhin prompt Kursgewinne.
Bereits zuvor hatte Trump seine Drohungen mit weiteren Einfuhrzöllen bekräftigt. „Zölle sind das Größte“, twitterte er. Andere Länder könnten entweder faire Verein- barungen mit den Vereinigten Staaten treffen, oder aber sie müssten mit den Abgaben leben. Im Übrigen, schob er hinterher, sollten die Kritiker daheim endlich aufhören, ihm in die Quere zu kommen. Mit derartigem Störfeuer dauere es nur länger, zu einem Deal zu kommen,„und der Deal wird niemals so gut sein, wie er sein könnte, wenn wir uns einig wären“. Der Landesvater im Pokermodus, die eigene wirtschaftliche Stär- ke resolut ausspielend – das ist das Bild, das der Präsident gern von sich zeichnet.
Junckers Ziel bestand vor allem darin, die nächste Eskalationsstufe des Streits zu vermeiden. Auch die Importzölle auf Autos begründet der amerikanische Präsident mit nationalen Sicherheitsinteressen, was nicht nur in Europa Unverständnis ausgelöst, sondern auch in amerikanischen Wirtschaftskrei- sen auf massive Kritik stößt. Das Argument stelle ihn vor Rätsel, sagt zum Beispiel John Bazzella, Direktor der Association of Global Automakers, eines Verbands, der die Interessen ausländischer, auch in den USA produzierender Autobauer vertritt. Im Übrigen komme kein in Amerika vom Band laufendes Auto ohne importierte Komponenten aus. Selbst im günstigsten Fall stamme mindestens ein Viertel der
Teile aus dem Ausland. Schon deshalb würde ein Zollwettlauf durch die Bank zu höheren Preisen führen, auch bei Fahrzeugen „made in America“. „Wir müssen herauskommen aus diesem Teufelskreis“, mahnt Bazzella. Wenn Juncker eine Art Pause erreiche, wäre seine Reise schon ein Erfolg.
Vor dem Treffen mit Trump hatte der EU-Kommissionspräsident selbstbewusst Verhandlungen „auf gleicher Augenhöhe“angekündigt. „Wir sitzen hier nicht auf der Anklagebank. Insofern brauchen wir uns auch nicht zu verteidigen“, sagte er in einem ZDF-Interview. Juncker plädierte für eine „Beruhigung der Gesamtlage“, warnte aber auch vor europäischen Gegenmaßnahmen. Sollte es zu Autozöllen kommen, müsse man reagieren. EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström entwarf in einem Interview mit der schwedischen Tageszeitung „Dagens Nyheter“eine genauere Skizze. Die EU werde auf amerikanische Waren Zölle im Wert von rund 20 Milliarden Dollar aufschlagen, falls Trump seine Drohung von Autozöllen wahrmache. (mit rtr)