Neuer Impfskandal erschüttert China
PEKING (erl) Die Nachricht über Chinas jüngsten Impfstoff-Skandal fuhr Präsident Xi Jinping in die Parade, gerade als er auf neuntägiger Auslandsreise afrikanischen Staaten sein Land als Vorbild schmackhaft machen wollte. Die erneute Krise im Gesundheitswesen, wo Hunderttausenden Babys aus Profitgier untaugliche und potenziell gefährliche Schutzimpfungen gespritzt worden waren, traf ihn unvorbereitet. Xi rief nach strengster Bestrafung. Er zitierte ein martialisches Sprichwort: China müsse sich dieses Gift „von seinen Knochen kratzen“.
Auslöser seines Zorns war das große börsennotierte Familienunternehmen Changchun Changsheng Biotechnology in der Provinz Jilin. In den vergangenen Wochen hatte es mehr als eine Viertelmillion unwirksame, qualitiativ minderwertige Impfstoffe zum Schutz vor Diphtherie, Keuchhusten und Tetanus (DPT) verkauft. Abnehmer war ein staatliches Zentrum für die gesetzlich vorgeschriebenen, kostenlosen Grundimpfungen in der Provinz Shandong. Die Aufsichtsbehörde über Nahrungsmittel und Arzneien in Jilin hatte Changsheng Biotechnology bei einer Überraschungsinspektion ertappt. Sie enthüllte die Firma am Freitag auf ihrer Website und löste in China eine Vertrauenskrise aus.
Mehr als 200.000 Säuglinge hatten die wirkungslosen Schutzimpfungen erhalten. Bei keinem Baby zeigten sich – die einzige positive Meldung im schmutzigen Geschäft – bisher bekannt gewordene Gesundheitsschäden. Die Kinder müssen neu geimpft werden. Ihre Eltern gerieten in Panik, Chinas von Skandalen geplagte Impfvorsorge geriet erneut in Verruf.
Es ist kein Einzelfall. Chinesische Medien erinnerten an 2008, als skrupellose Unternehmen mit Chemikalien (Melamin) gepanschtes Milchpulver an Millionen Eltern verkauften. Mehr als 50.000 Kleinkinder mussten ärztlich behandelt werden, mehrere starben. Der kriminelle Großbetrug bei der Herstellung der Babynahrung zeigt zehn Jahre später noch seine Nachwirkungen: Viele Eltern importieren heute Babynahrung oder kaufen nur ausländische Produkte.