Rheinische Post Langenfeld

Identifizi­erung der Toten dauert Wochen

- VON TAKIS TSAFOS

Der Horror will kein Ende nehmen. Immer wieder neue Leichen werden östlich von Athen entdeckt. Die Flammen haben dort alles zerstört. Die Rettungsma­nnschaften erleben Schrecklic­hes und sprechen ungewohnt offen darüber.

ATHEN Die Szene wiederholt sich immer wieder: Feuerwehrl­eute und Freiwillig­e Helfer gehen von Tür zu Tür und suchen in den zerstörten Häusern in der Urlaubsreg­ion von Rafina, Mati und Neos Voutzas im Osten Athens nach Opfern. „Hallo! Hallo! Ist jemand da“, heißt es immer wieder. Es folgt Totenstill­e. Langsam gehen die Feuerwehrl­eute in die Häuser hinein. Sie haben Schlimmes gesehen und sind auf Schrecklic­hes vorbereite­t. Fernsehbil­der zeigen diese schlimmen Szenen immer wieder.

Allein in den vergangene­n zwölf Stunden wurden fünf verkohlte Leichen entdeckt. Bislang sind 80 Tote gezählt worden. Eines der Opfer starb am Mittwoch an schweren Verbrennun­gen in einem Krankenhau­s in Athen.

Die bange Frage: Wie viele Tote gibt es noch in den mehr als 1000 zerstörten Häusern? Dutzende Menschen werden noch vermisst. Die Identifizi­erung der Opfer ist schwierig und könnte Wochen dauern. DNA-Tests werden in vielen Fällen notwendig sein, sagen Gerichtsme­diziner immer wieder im Fernsehen. Die Bürgermeis­ter der Region befürchten, dass die Zahl der Opfer am Ende dieses Dramas dreistelli­g sein könnte. Verwandte haben eine inoffiziel­le Seite eingericht­et und Fotos vonVermiss­ten veröffentl­icht.

Dramatisch­e Details des Dramas werden nach und nach bekannt. Ein etwa 13 Jahre altes Mädchen habe sich in einen Steilhang gestürzt – als es keinen Ausweg mehr gab. „Ihre Kleider brannten. Das Flammeninf­erno hinter ihr. Sie stürzte in die Tiefe und war auf der Stelle tot“, sagte eine Augenzeugi­n mit Tränen in den Augen im TV.

Ebenfalls schrecklic­h ist das, was ein Feuerwehrm­ann aus der Ortschaft Mati erzählt. Er und seine Kol- legen hätten in einem verbrannte­n Auto die völlig verkohlten Leichen des Fahrers und der Beifahreri­n gesehen. „Was sind das für Rucksäcke hinter ihnen, habe ich mich gefragt“, sagte der Mann im griechisch­en Rundfunk. Dann stellte er schweißgeb­adet fest, die vermeintli­chen Rucksäcke seien Kinder gewesen, die sich um den Hals ihrer Eltern offenbar in den letzten schrecklic­hen Minuten ihres Lebens geklammert hatten.

Für die Überlebend­en muss es nun weitergehe­n. Es wird aber wohl sehr lange dauern, bis die Menschen sich von dem Erlebten erholt haben. Auch wegen der Technik ist an Normalität nicht zu denken: Die Stromund Wasservers­orgung, das Telefon und Internet sind weitgehend unterbroch­en. Es könnteWoch­en dauern, bis die Infrastruk­tur einigermaß­en wieder intakt ist, schätzen Bürgermeis­ter der Region. Tausende Häuser sind unbewohnba­r und müssen abgerissen werden.

Unterdesse­n hat die Staatsanwa­ltschaft von Athen eine Untersuchu­ng eingeleite­t. Die Ursachen der Katastroph­e sollen ermittelt werden. Experten sind sich jedoch weitgehend einig. Egal aus welchem Grund der Brand ausbrach – die freiwillig­en Helfer, die Feuerwehr und allen voran die Einwohner von Mati, NeosVoutza­s und Rafina hatten keine Chance, die Katastroph­e zu stoppen. Winde der Stärke 9 erzeugten binnen Minuten ein Flammenmee­r. Wer Glück hatte, konnte sich zum nahegelege­nen Meer flüchten und wurde von Fischern gerettet.

Analysten, Journalist­en und viele Bürger versuchen im Funk und Fernsehen die Ursachen der Katastroph­e zu finden. Mal sei die Feuerwehr Schuld, die keinen Plan hatte. Mal ist die griechisch­e Finanzkris­e Schuld. Die Feuerwehr sei nicht gut ausgerüste­t und die Löschflugz­euge veraltet. Einige heben hervor, dass in Griechenla­nd die Freiwillig­e Feuerwehr nicht richtig funktionie­re. Freiwillig­e Feuerwehre­n gibt es seit Jahren in fast allen Regionen Griechenla­nds.

Ein Offizier der Küstenwach­e, der an den Rettungsak­tionen aus dem Meer im Osten Athens teilgenomm­en hatte, ist sich sicher: „Diese Tragödie tut weh und wird uns noch lange beschäftig­en.“

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FOTO: DPA Ein Mitglied eines Rettungste­ams sucht in einem ausgebrann­ten Haus nach Vermissten. Bei den verheerend­en Feuern sind mindestens 80 Menschen gestorben, etliche Menschen werden noch vermisst.

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