„Opel wird noch deutscher als jemals zuvor“
Der Chef des Autobauers über den Dienstag verkündeten Rekordgewinn, das Entwicklungszentrum und den Abgasskandal.
Herr Lohscheller, geben Sie es zu: Am Dienstag haben Sie die Champagnerkorken knallen lassen. Lohscheller (lacht) Nein, ich bin kein Champagner-Typ. Aber wir freuen uns natürlich alle, dass Opel in die schwarzen Zahlen gekommen ist und sind stolz auf die Leistung. Das war auch ein wichtiges Signal für alle Mitarbeiter, die das umgesetzt haben und ihren Beitrag dazu leisten, ein neues, nachhaltiges Unternehmen Opel zu bauen.
PSA-Chef Tavares hat aber schon hinterhergeschoben: „Es wäre naiv zu glauben, dass keine harten Herausforderungen mehr anstehen.“Was meint er damit?
Lohscheller Er hat recht. Die Branche steht vor einer enormen Transformation. Wir investieren etwa massiv in die Elektrifizierung und werden 2020 vier elektrifizierte Fahrzeuge anbieten. Und 2024 wird unser komplettes Portfolio elektrifiziert sein. Das ist eine riesige Veränderung. Wir haben jetzt sechs Monate lang wichtige Schritte gemacht, aber jetzt es geht konsequent weiter.
PSA-Chef Tavares hat knallhart die Kosten reduziert. ..
Lohscheller Wir bei Opel haben nicht nur die Kosten gesenkt, sondern auch die Umsatzerlöse pro Fahrzeuge gesteigert. Unsere Preispositionierung haben wir verbessert. Wir haben mehr Ausstattung verkauft – ein wichtiger Indikator für die Markenstärke. Aber Sie haben recht.Wir haben natürlich auch konsequent gespart.
Wo spüren Sie das persönlich in Ihrem Alltag?
Lohscheller Ich habe immer gesagt: Die Treppen muss man von oben nach unten kehren. Das Management fliegt innereuropäisch selbstverständlich Economy, wir steigen bei Dienstreisen in kostengünsti- gen Hotels ab. Und wir haben die Geschäftsführung deutlich verkleinert. Nur so können Sie auch von den Mitarbeitern glaubwürdig Beiträge verlangen.
Wie viel Spielraum verschafft es Ihnen als Opel-Chef dass sie zwei Jahre vor Plan die Gewinnziele übererfüllen?
Lohscheller Es wäre gefährlich, jetzt in Euphorie zu verfallen oder sich zurückzulehnen. Es handelte sich ja schließlich erst einmal um Halbjah- reszahlen. Wir werden unsere Anstrengungen im zweiten Halbjahr fortsetzen. Im Februar 2019 wissen wir dann, wo wir für das Gesamtjahr stehen.
Was bedeuten die guten Halbjahreszahlen für den Teilverkauf des Opel-Entwicklungszentrums? Lohscheller Das Entwicklungszentrum ist ein ganz wichtiger Bestandteil des Unternehmens. Es ist und bleibt das Herz von Opel. Alle Opel-Fahrzeuge werden dort entwi- ckelt.Wir haben außerdem wichtige Kompetenzzentren für die gesamte Groupe PSA nach Rüsselsheim gebracht – etwa die Brennstoffzelle, Sitze, Teile der Elektrifizierung. In Rüsselsheim wird die Plattform für die leichten Nutzfahrzeuge für den gesamten Konzern entwickelt, und wir werden auch eine komplett neue Motorenfamilie hier entwickeln. Heute machen wir aber noch viel Arbeit für Externe, ein Engagement, das sich mittelfristig deutlich reduzieren wird. Dafür müssen wir Alternativen finden. Genau darum kümmern wir uns jetzt und werden es dann natürlich mit den Sozialpartnern besprechen.
Dann beziffern Sie doch bitte einmal, wie viele der 7000 Ingenieure Sie für die Opel- und PSA-eigenen Themen noch benötigen. Lohscheller Wie gesagt: Das schauen wir uns genau an. Wenn sich dann Optionen konkretisieren, werden wir zunächst mit unseren Sozialpartnern darüber reden und dann an die Öffentlichkeit gehen.
Der Stellenabbau in Rüsselsheim erfolgt nur über Altersteilzeit, Vorruhestand und freiwillige Aufhebungsverträge. Bis 2023 soll es keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Können Sie das garantieren? Lohscheller Natürlich stehen wir dazu. Das ist ja Teil des Eckpunktepapiers, das wir jetzt in einen Tarifvertrag umwandeln. Der Stellenabbau läuft nur auf Basis von Freiwilligkeit.
Ein Kritiker hat mal gesagt: Die besten Leute bleiben doch nicht bei Opel, wenn es nicht mehr ums Autobauen, sondern nur noch ums Sparen geht.
Lohscheller Wir haben kein Problem, die besten Kräfte an Bord zu halten. Opel ist durch PSA sogar noch deutlich attraktiver gewor-
den. Wir haben jetzt einen intensiven Austausch – viele Opel Mitarbeiter wechseln zu PSA und umgekehrt. Das bietet ganz neue Entwicklungsmöglichkeiten.
Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöfer hat jüngst gesagt: Opel werde zur leeren Design-Hülle für PSA.
Lohscheller Das ist falsch. Im Gegenteil: Opel wird noch deutscher, als es jemals der Fall war. Wir stärken die kundenspezifischen Elemente in unseren Fahrzeugen, also die Designsprache, den Innenraum, das Fahrverhalten, die Präzision und die Qualität. Jeder Opel wird in Rüsselsheim entwickelt – das war unter GM nicht immer der Fall. In vierWochen werden wir ein Concept-Car vorstellen, mit dem wir zeigen, wohin bei uns beim Design und dem Markenauftritt die Reise geht. Nur weil wir ins PSA-Regal greifen, bedeutet das doch nicht, dass wir keine eigenständigen Fahrzeuge mehr herstellen. Ohne Plattform-Sharing könnte in dieser wettbewerbsintensiven Industrie im Übrigen niemand überleben. Das weiß jeder, der sich mit der Branche intensiv beschäftigt.
Das Bundesverkehrsministerium hat bestätigt, dass es „eine amtli- che Anhörung gegen Opel“wegen dreier Fahrzeugmodelle gibt. Reden wir hier über Fälle, die über die bekannten freiwilligen Softwareupdates hinausgehen?
Lohscheller Zu laufendenVerfahren kann ich mich nicht äußern. Richtig ist aber: Wir haben für drei Fahrzeuge aus den Jahren 2013 bis 2016 bereits freiwillige Serviceaktionen.
Sollten das Bundesamt und das übergeordnete Ministerium nicht mit Ihren Erklärungen zufrieden sein, droht Ihnen eine förmliche Rückrufaktion. Wie weit sind Ihre Vorbereitungen für einen solchen Fall?
Lohscheller Wie gesagt: Dazu kann ich aufgrund des laufenden Verfahrens nichts sagen.
Wie geht es mit dem Modell Opel Adam weiter, das unter Tina Müller ja noch bei Germanys Next Topmodel und Co. das Opel-Image in der jungen Zielgruppe verbessern sollte?
Lohscheller Zunächst: Der Adam ist heute ein sehr erfolgreiches und beliebtes Auto, das vor allem viele junge Käuferinnen und Käufer anspricht. Natürlich kann ich mich heute nicht zu Details unseres künftigen Produktportfolios äußern. Aber selbstverständlich geht unsere Produktoffensive weiter – beispielsweise im kommenden Jahr mit dem neuen Corsa. Für uns rücken vor allem auch die leichten Nutzfahrzeuge in den Fokus.Wir reden zum Beispiel beim neuen Combo über ein Segment mit über einer Million Fahrzeugen in Europa, in dem wir bislang noch deutlich unterrepräsentiert sind. 2019 kommt zudem der neue Vivaro auf den Markt. Und natürlich haben wir noch viele andere Ideen.