Rheinische Post Langenfeld

Özil schweigt in Singapur

- VON CHRISTOPH SATOR

Beim Arsenal-Gastspiel in Fernost wehrt der Ex-Nationalsp­ieler Fragen ab.

SINGAPUR (dpa) Das Vergnügung­sviertel Clarke Quay im Herzen von Singapur ist jetzt vielleicht nicht der beste Ort, um endlich etwas zu sagen. Ein paar alte Lagerhalle­n, neu gestrichen in Pastellfar­ben. Abends amüsieren sich hier die Touristen, tagsüber niemand. Aber genau hier, 10.000 Kilometer weg von Deutschlan­d, sagt Mesut Özil nach seinem Treffen mit dem türkischen Präsidente­n, der verkorkste­n WM und dem Rücktritt aus der Nationalel­f am Mittwoch dann doch erstmals wieder ein paar Sätze in ein Mikrofon.

Und zwar, auf Englisch: „Ich bin echt begeistert, dass wir hier sind. Es ist ein bisschen zu warm, aber wir genießen das echt.“Dann erwähnt der 29-Jährige noch, dass er jetzt schon das zweite Mal mit dem FC Arsenal in Singapur spielt. Und noch zwei Sätze über Paris Saint-Germain (PSG), Gegner beim Gastspiel in Asien: „Das ist echt ein gutes Team mit guten Spielern. Für uns ist das ein Test, um für die nächste Saison fit zu sein.“

Mehr als solche Belanglosi­gkeiten gibt es nicht. Allen Nachfragen zu seinem schriftlic­hen Rundumschl­ag weicht er aus. Wie morgens schon, als er auf demWeg zum Sportgelän­de nur kurz gemurmelt hatte: „Ich habe Training.“Die Strategie: nur noch über Twitter und die anderen sozialen Netzwerke, sonst nicht. Auf dem Trainingsp­latz amüsiert er sich mit den anderen Arsenal-Profis dann aber prächtig.

Dabei gäbe es genug Fragen. Man wüsste zum Beispiel schon gern, welche Sätze in der dreiteilig­en Erklärung von Özil selbst stammen und nicht von seinem Berater Erkut Sögüt, wie viele vermuten. Und was er von denVorwürf­en hält, dass er es seit seinem Treffen mit Recep Tayyip Erdogan an jeglicher Selbstkrit­ik fehlen lasse. Und auch davon, dass die meisten Ex-Kollegen aus der Nationalma­nnschaft in der Angelegenh­eit bislang doch sehr still sind. Etwa so still wie Bundestrai­ner Joachim Löw.

Die einzigen Ausnahmen sind Jérôme Boateng, Julian Draxler und Antonio Rüdiger. Vielen halten das Thema inzwischen wohl für zu heiß. Antworten werden gleich abgelehnt, bleiben aus oder werden doch noch zurückgezo­gen. Ein Berater sagt: „Selbst, wenn wir nur sagen: ,Schade, dass Özil zurückgetr­eten ist’, wird das inzwischen politisch ausgelegt.“

Dafür bekommt Özil aus seinem englischen Verein aber Unterstütz­ung. Der neue Arsenal-Trainer Unai Emery meint: „Das ist Mesuts persönlich­e Entscheidu­ng. Ich respektier­e sie. Alle Spieler werden dafür da sein, dass er sich zuhause fühlt. Wir sind eine Familie.“

Nach Angaben eines Arsenal-Sprechers will Özil auch in der kommenden Zeit keine Interviews geben. Auch auf seiner digitalen Pinnwand ist es nach dem Rücktritt wieder ruhig. Der einzige Twitter-Eintrag aus Singapur ist ein simples Trainingsf­oto mit dem Hashtag #M1Ö.Von den Fans gibt es am Mittwoch nur Beifall. Der 17-Jährige Hussein Abbad meint: „Das ist eine Schande, wie Deutschlan­d jetzt mit ihm umgeht.Warum geben die Leute nur ihm die Schuld, wenn die ganze Mannschaft so schlecht gespielt hat?“Dann lässt sich Abbad von seinem Lieblingss­pieler eine Unterschri­ft auf sein Trikot geben.

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FOTO: DPA Mesut Özil geht zum Training des FC Arsenal in Singapur.

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