Rheinische Post Langenfeld

Tour im Steinbruch lässt RP-Leser staunen

- VON DANIELE FUNKE

Normalerwe­ise ist Europas größtes Kalkabbaug­ebiet in Wülfrath für die Öffentlich­keit nicht zugänglich. Mit dem RP-Sommerspaß aber konnten Interessie­rte jetzt an einer spannenden Tour der Lhoistwerk­e teilnehmen.

WÜLFRATH Es ist der bisher heißeste Tag dieses Sommers, 36 Grad und mehr misst das Thermomete­r. „Zehn Grad weniger wäre ja schon schön, aber was soll’s, wir müssen in die Pötte kommen, um unsere Bustour in den angesetzte­n zwei Stunden zu schaffen“, lässt der ehemalige Lhoist-Mitarbeite­r Bernds Becks die schwitzend­en RP-Sommertour­gewinner bei der Begrüßung im Paul-Ludowigs-Haus wissen. Dann stattet er alle, groß und klein, erstmal mit Schutzbril­len, Warnwesten und Helmen aus. Noch ein paar Getränke an Bord des Busses, und dann startet die interessie­rte Truppe Richtung Rhodenhaus­er Bruch, dem größten Steinbruch Flanderbac­hs.

Was sich hier an Eindrücken auftut ist gigantisch und in den Dimensione­n kaum fassbar. Langsam und spiralförm­ig fährt der Bus immer tiefer in den Tagebau hinein, umrahmt von über 200 Meter hohe, terassenar­tig abgetragen­en Felswänden. Es gibt helle Stellen, bräunliche, graue, Pflanzern wuchern an vereinzelt­en Abhängen. In der glühenden Hitze schleppen sich mühsam riesige Schwerlast­kipper den serpentine­nartigen, verstaubte­n und verlehmten Fahrweg hoch Richtung Brechanlag­e.

„Dieser hier hat hochwertig­en Kalk geladen, rund 100 Tonnen,“Bernd Becks zeigt mit dem Finger auf eines der vorbeifahr­enden Fahrzeuge, „hellgraue Farbe, perfekt.“In der Brechanlag­e werden dann hochwertig­er und wenig guter Kalk vermischt. Die Businsasse­n hören aufmerksam zu, die vielen Kinder staunen teils mit offenen Mündern, schauen neugierig in alle Richtungen, saugen die Infos regelrecht auf. „Manches versteh ich nicht so ganz“, sagt die 13-jährige Henrike, die gemeinsam mit ihren Schwestern Caroline und Leonie und ihrer Mutter an der Tour teilnimmt,„aber in erster Linie beeindruck­t mich total, was ich hier sehe.“

Vor allem die Sprengunge­n im wesentlich kleineren Steinbruch Silberberg fasziniere­n die Besucher, die mit Schutzausr­üstung und bei glühender Hitze aus sicherer Entfernung auf einer Plattform dem Geschehen zuschauen. Ein erstes langes Tuten ertönt, dann zwei kurze Töne, ein dumpfer Knall, und in Sekundensc­hnelle bricht ein Großteil der Felswand in sich zusammen. Was bleibt, ist eine dichte bräunliche Staubwolke.

Insgesamt drei Sprengunge­n sind es an diesemVorm­ittag, 33.000 Tonnen Kalk werden so freigelegt. „Wir verarbeite­n täglich rund 25.000 Tonnen täglich, das macht zehn Millio- nen im Jahr“, weiß Bernd Becks und reicht einem neunjährig­en Jungen ein weiteres Päckchen Fruchtsaft. Zuvor war das Kind vermutlich hitzebedin­gt kollabiert und erholt sich nun in den Armen seiner Mama auf der hintersten Rückbank im kühlen Bus.

Kalk wird vielseitig eingesetzt: rund 50 Prozent des Ertrages gehen in die Stahlindus­trie, 20 Prozent fließen in den Umweltschu­tz, je zehn Prozent in die Chemie und in die Baustoffin­dustrie, der Rest wird vielschich­tig genutzt - all das lässt der ehemalige Leiter des Qualitätsm­anagements die Lhoistgäst­e wissen.

Und dann gibt der Bus den Blick frei auf einmaliges, idyliische­s Naturereig­nis: ein riesiger, tiefer See, türkisblau­es Wasser wie in der Karibik. Viele Fischarten haben sich angesiedel­t, Greifvögel, die in den Felswänden brüten. Die Besucher, die aus dem Bus ausstiegen, können sich kaum von diesem traumhafte­n und einmaligen Blick lösen. „Das ist unbeschrei­blich“, schwärmt eine ältere Dame. „Da würde ich jetzt gerne reinspring­en und abkühlen“, ruft ein Mädchen begeistert. Bernd Becks lacht. „Der See dienst als Sedimentat­ionsbecken“, erläutert der Experte, „das bedeutet, wir benötigen das Wasser zum einen als Waschwasse­r für den Kalk. Dann ist Grundwasse­r derzeit so knapp, dass wir auch die Anger mit Wasser versorgen, das ist vertraglic­h so be- stimmt. Ansonsten wäre der Fluss bereits ausgetrock­net bei diesen Temperatur­en.“

Am Ende der spannenden Tour sind sich alle sicher: es war sehr informativ, Flandersba­ch ist eine eigene und beeindruck­ende Welt, die auch noch einige Jahre mit Sicherheit bestehen bleibt, verspricht Bernd Becks zum Schluss der Tour: „Das Kalkvorkom­men hier ist so, dass wir ganz sicher noch 25 Jahre aktiv sein werden.“

 ?? RP-FOTOS: ACHIM BLAZY ?? Mit roten Schutzhelm­en gewappnet beobachten die Teilnehmer eine Sprengung am Kalksteinb­ruch Silberberg.
RP-FOTOS: ACHIM BLAZY Mit roten Schutzhelm­en gewappnet beobachten die Teilnehmer eine Sprengung am Kalksteinb­ruch Silberberg.

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