Tour im Steinbruch lässt RP-Leser staunen
Normalerweise ist Europas größtes Kalkabbaugebiet in Wülfrath für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Mit dem RP-Sommerspaß aber konnten Interessierte jetzt an einer spannenden Tour der Lhoistwerke teilnehmen.
WÜLFRATH Es ist der bisher heißeste Tag dieses Sommers, 36 Grad und mehr misst das Thermometer. „Zehn Grad weniger wäre ja schon schön, aber was soll’s, wir müssen in die Pötte kommen, um unsere Bustour in den angesetzten zwei Stunden zu schaffen“, lässt der ehemalige Lhoist-Mitarbeiter Bernds Becks die schwitzenden RP-Sommertourgewinner bei der Begrüßung im Paul-Ludowigs-Haus wissen. Dann stattet er alle, groß und klein, erstmal mit Schutzbrillen, Warnwesten und Helmen aus. Noch ein paar Getränke an Bord des Busses, und dann startet die interessierte Truppe Richtung Rhodenhauser Bruch, dem größten Steinbruch Flanderbachs.
Was sich hier an Eindrücken auftut ist gigantisch und in den Dimensionen kaum fassbar. Langsam und spiralförmig fährt der Bus immer tiefer in den Tagebau hinein, umrahmt von über 200 Meter hohe, terassenartig abgetragenen Felswänden. Es gibt helle Stellen, bräunliche, graue, Pflanzern wuchern an vereinzelten Abhängen. In der glühenden Hitze schleppen sich mühsam riesige Schwerlastkipper den serpentinenartigen, verstaubten und verlehmten Fahrweg hoch Richtung Brechanlage.
„Dieser hier hat hochwertigen Kalk geladen, rund 100 Tonnen,“Bernd Becks zeigt mit dem Finger auf eines der vorbeifahrenden Fahrzeuge, „hellgraue Farbe, perfekt.“In der Brechanlage werden dann hochwertiger und wenig guter Kalk vermischt. Die Businsassen hören aufmerksam zu, die vielen Kinder staunen teils mit offenen Mündern, schauen neugierig in alle Richtungen, saugen die Infos regelrecht auf. „Manches versteh ich nicht so ganz“, sagt die 13-jährige Henrike, die gemeinsam mit ihren Schwestern Caroline und Leonie und ihrer Mutter an der Tour teilnimmt,„aber in erster Linie beeindruckt mich total, was ich hier sehe.“
Vor allem die Sprengungen im wesentlich kleineren Steinbruch Silberberg faszinieren die Besucher, die mit Schutzausrüstung und bei glühender Hitze aus sicherer Entfernung auf einer Plattform dem Geschehen zuschauen. Ein erstes langes Tuten ertönt, dann zwei kurze Töne, ein dumpfer Knall, und in Sekundenschnelle bricht ein Großteil der Felswand in sich zusammen. Was bleibt, ist eine dichte bräunliche Staubwolke.
Insgesamt drei Sprengungen sind es an diesemVormittag, 33.000 Tonnen Kalk werden so freigelegt. „Wir verarbeiten täglich rund 25.000 Tonnen täglich, das macht zehn Millio- nen im Jahr“, weiß Bernd Becks und reicht einem neunjährigen Jungen ein weiteres Päckchen Fruchtsaft. Zuvor war das Kind vermutlich hitzebedingt kollabiert und erholt sich nun in den Armen seiner Mama auf der hintersten Rückbank im kühlen Bus.
Kalk wird vielseitig eingesetzt: rund 50 Prozent des Ertrages gehen in die Stahlindustrie, 20 Prozent fließen in den Umweltschutz, je zehn Prozent in die Chemie und in die Baustoffindustrie, der Rest wird vielschichtig genutzt - all das lässt der ehemalige Leiter des Qualitätsmanagements die Lhoistgäste wissen.
Und dann gibt der Bus den Blick frei auf einmaliges, idyliisches Naturereignis: ein riesiger, tiefer See, türkisblaues Wasser wie in der Karibik. Viele Fischarten haben sich angesiedelt, Greifvögel, die in den Felswänden brüten. Die Besucher, die aus dem Bus ausstiegen, können sich kaum von diesem traumhaften und einmaligen Blick lösen. „Das ist unbeschreiblich“, schwärmt eine ältere Dame. „Da würde ich jetzt gerne reinspringen und abkühlen“, ruft ein Mädchen begeistert. Bernd Becks lacht. „Der See dienst als Sedimentationsbecken“, erläutert der Experte, „das bedeutet, wir benötigen das Wasser zum einen als Waschwasser für den Kalk. Dann ist Grundwasser derzeit so knapp, dass wir auch die Anger mit Wasser versorgen, das ist vertraglich so be- stimmt. Ansonsten wäre der Fluss bereits ausgetrocknet bei diesen Temperaturen.“
Am Ende der spannenden Tour sind sich alle sicher: es war sehr informativ, Flandersbach ist eine eigene und beeindruckende Welt, die auch noch einige Jahre mit Sicherheit bestehen bleibt, verspricht Bernd Becks zum Schluss der Tour: „Das Kalkvorkommen hier ist so, dass wir ganz sicher noch 25 Jahre aktiv sein werden.“