Daddy ist ein Superheld
Mit dem liebenswerten „Ant-Man and the Wasp“gibt Marvel seinen action-verwöhnten Fans Zeit zum Durchatmen.
Mit „Ant-Man“brachte der Marvel-Konzern vor zwei Jahren ein wenig frischen Wind ins hauseigene Superhelden-Universum. Der Ameisenmann, der sich per Knopfdruck auf die Größe eines Nadelkopfes herunterschrumpfen kann, bildete das lang ersehnte, notwendige Gegengewicht zu den hypermaskulinen Alleskönnern des Avenger-Teams um Thor, Iron Man, Hulk und Captain America.
Mit dem grundsympathischen Paul Rudd war den Machern zudem ein Besetzungscoup gelungen, der den Superhelden auf den Boden der Normalität herunterholte und als zugängliche Identifikationsfigur aufbaute. Sein Scott Lang ist ein charmanter Kleinganove, der das kriminelle Dasein aufgeben will, um seiner kleinen Tochter ein guter Daddy zu sein. Ein Superheld, der seine Pflichten als Erziehungsberechtigter ernst nimmt – das hatte es bisher im Comic-Film-Universum so noch nicht gegeben.
Auch in der Fortsetzung „Ant-Man and the Wasp“wird die Vater-Tochter-Beziehung gleich zu Beginn ins Zentrum gerückt. In einem selbstgebauten Labyrinth aus Pappkartons gehen Scott und seine Tochter Cassie (Abby Ryder Fortson) auf eine abenteuerliche Schatzsuche, die sich wie eine verspielte Parodie auf so manchen Marvel-Film-Plot liest. Seit seinem ersten Avenger-Einsatz in Deutschland („Captain America: Civil War“) trägt Scott eine Fußfessel und ist unter polizeilichen Hausarrest gestellt.
Die Zeit verbringt der geschiedene Ehemann mit seiner geliebten Tochter, bis Dr. Hank Pym (Michael Douglas) und dessen Tochter Hope (Evangeline Lilly) erneut vor der Tür stehen. Scott soll helfen, Pyms vor Jahrzehnten verschollene Frau Janet (Michelle Pfeiffer) wiederzufinden, die damals auf Miniaturformat geschrumpft in jenem Quanten-Nebel verloren gegangen ist, den Scott als Ameisenmann bereits besucht hat. Die Rettungsmission wird jedoch nicht nur durch die Bewacher des FBIs verkompliziert, sondern auch durch einen finsteren Geschäftsmann (Walton Goggins), der Pyms Labor und Erfindungen an Großkriminelle verticken will.
Der Plot von „Ant-Man and the Wasp“entspricht den stereotypen Vorgaben des Genres, die Variation liegt hier mehr in der Tonalität und der Textur des Filmes. Zunächst einmal legt Regisseur Peyton Reed, der auch für die erste Folge verantwortlich zeichnete, seinen Superhelden-Film deutlich als Familienunterhaltung an, die auch jüngere Zuschauer nicht verschrecken soll. Die Action-Szenen kommen ohne jenes bombastische Getöse aus, das in diesem Metier zum Sound-Standard gehört. Und wenn sich AntMan aufgrund eines technischen Defektes in seinem Anzug in einen Riesen verwandelt, wird die Gigantomanie gleich wieder dadurch gebrochen, dass sich der unfreiwillig aufgeblasene Held nur noch in Zeitlupe bewegen kann und schon bald vor Erschöpfung zusammenbricht.
Die Faszination vonVergrößerung und Verkleinerung gehört spätestens seit Jonathan Swifts „Gullivers Reisen“zur narrativen Ursuppe, von der sich Literatur und Kino nähren. Ein zehnstöckiges Laborgebäude schrumpft per Knopfdruck auf Hut- schachtelgröße und kann als Rollkoffer ins Fluchtgepäck aufgenommen werden. Auch während der Verfolgungsjagden wird ordentlich herumgeschrumpft, wodurch in den spannendsten Momenten immer wieder auch Komik injiziert wird. Dennoch dominieren die Effekte in diesem Film nicht das Geschehen, so wie es in diesem Genre viel zu oft geschieht.
Vom Grundton der Erzählung erinnert„Ant-Man and theWasp“eher an alte Spielberg-Filme, die bei aller technischen Verspieltheit auch immer die emotionalen Bedürfnisse der Familienunterhaltung im Blick behielten. Nach dem apoka- lyptischen Megaspektakel „Avengers: Infinty War“gibt Marvel seinen Fans mit dem keineswegs großartigen, aber liebenswerten „Ant-Man and the Wasp“ein wenig Zeit zum Durchatmen.
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