Der Milliardär, der Trump verjagen will
Tom Steyer, schwerreicher Investmentbanker aus San Francisco, reist quer durch Amerika und wirbt für einen Linksruck.
OMAHA „It’s a beautiful day“, dröhnt es aus den Lautsprechern. Ein Lied, das fast schon zum Pflichtprogramm amerikanischer Wahlkämpfe gehört. Während Bonos unverwechselbare Stimme den Saal erfüllt, tritt ein Mann auf die Bühne, dessen ganzer Habitus so gar nichts von einem Wahlkämpfer hat.
Tom Steyer ist ein Asket von 61 Jahren, gertenschlank, das Haar streng gescheitelt, eher zurückhaltend, gewiss kein Volksredner. Ein Mann, der ein Berufsleben lang mit Zahlen zu tun hatte. Er war Banker bei Morgan Stanley und Goldman Sachs, ehe er ein eigenes Investmenthaus mit dem klingenden Namen Farallon Capital Management gründete. In San Francisco bewohnt er eine Villa mit herrlichem Blick auf die Golden Gate Bridge, das Magazin „Forbes“schätzt sein Vermögen auf 1,6 Milliarden Dollar.
In der Omar Bakery, einer zur Kongresshalle umfunktionierten Bäckerei in Omaha, der Geschäftsmetropole Nebraskas, setzt sich Steyer vorn auf einen Barhocker, lässt ein Video einspielen, das ihn an der Freiheitsglocke in Philadelphia zeigt, und kommt zur Sache. Zu seinem Kernthema, der wachsenden sozialen Ungleichheit. „Seit 40 Jahren sind die Reallöhne für die Arbeiterschaft in Amerika nicht mehr gestiegen. Sie steigen nicht einmal jetzt, wo wir praktischVollbeschäftigung haben“, doziert er. Dann wird er lauter. „Was es an Zuwachs gab, floss in die Taschen der obersten fünf Prozent. Ausnahmslos alles!“
Es ist eine Lagebeschreibung, wie sie von Bernie Sanders stammen könnte, dem Senator aus Vermont, der Hillary Clinton 2016 einen harten Kampf um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten lieferte. Sie aus dem Mund eines schwerreichen Bankers zu hören, das passiert in den USA nicht so oft. Allein das erklärt schon, warum sich um die fünfhundert Zuschauer zwischen den unverputzten Ziegelwänden der Omar Bakery drängen, weit mehr, als es Sitzplätze gibt.
Steyer ist kein gewöhnlicher Milliardär, er ist ein Aktivist. Bis vor sechs Jahren war er Hedgefonds-Manager, dann zog er sich aus dem laufenden Geschäft zurück, um sich ganz seinen politischen Anliegen widmen zu können. Der Demokratischen Partei steht er seit Längerem als spendabler Mäzen zur Seite. Es begann 2004, da unterstützte er John Kerry im Duell gegen George W. Bush – auch um das Thema Klimawandel in den Mittelpunkt der Debatte zu rücken. Später trommelte er zum Widerstand gegen die Pipeline Keystone XL, durch die Öl von den kanadischen Teersandfeldern zu den Raffinerien am Golf von Mexiko gepumpt werden soll. Um den Protest zu organisieren, gründete er eine Graswurzelbewegung namens Next Generation Climate, die mittlerweile Next Generation America heißt.
Die unter 35-Jährigen, sagt Steyer, bildeten nicht nur die progressivste, sondern auch die größteWählergruppe der USA. Es sei aber auch die Gruppe mit der niedrigsten Wahlbeteiligung. Das will er ändern. 30 Millionen Dollar will er ausgeben, um die Jungen zu mobilisieren, damit die Demokraten im November die Kongresswahl gewinnen und Donald Trump ohne parlamentarische Mehrheit im Rücken nicht mehr ungebremst regieren kann.
Apropos Trump: Seit der Milliardär aus New York im Weißen Haus residiert, ruft der Milliardär aus San Francisco dazu auf, ihn seines Amtes zu entheben. Steyer reist quer durchs Land, um dem Impeachment das Wort zu reden. Trump sei ein leichtsinniger, gefährlicher Präsident, der glaube, über dem Gesetz zu stehen, ein Risiko für die Republik, wiederholt er, wo immer er auftritt. Dass es wohl nicht so bald etwas wird mit der Amtsenthebung, dürfte er wissen. Seine Tournee ist denn wohl auch eher der Versuch, sich selber zu profilieren.
Tom Steyer, glauben manche, könnte so etwas wie der Donald Trump der Linken werden. Ein Geschäftsmann, der sich fürs Oval Office bewirbt, nur eben nicht als Unabhängiger wie in den Neunzigern der Texaner Ross Perot, sondern an der Spitze einer großen Partei. Einer Partei, die sich noch immer nicht erholt hat vom Schock der Niederlage des Jahres 2016.
Noch ist bei den Demokraten, den Blauen, wie sie nach der politischen Farbenlehre Amerikas oft genannt werden, kein neuer Hoffnungsträger in Sicht. Keiner vom Kaliber eines Barack Obama, der Trump mit Blick auf 2020, auf das nächste Rennen um die Präsidentschaft, in die Defensive bringen könnte. Das kann sich ändern, doch inWashington geben einstweilen die Alten den Ton an, symbolisiert durch die 78-jährige Nancy Pelosi, die Nummer eins der Blauen im Repräsentantenhaus.
An den Küsten, in New York oder Kalifornien, rebelliert die Basis unterdessen gegen Parteiprominente, die nach ihrem Geschmack nicht nur ausgelaugt sind, sondern auch zu weit in der Mitte stehen. In einem Wahlkreis New Yorks, wo eine Primary zu entscheiden hatte, wer im Herbst für einen Sitz im US-Kongress kandidieren darf, besiegte eine 28-Jährige namens Alexandria Ocasio-Cortez den 56 Jahre alten Joseph Crowley, einen Platzhirsch, der Pelosi eigentlich an der Fraktionsspitze beerben wollte. Im Mittleren Westen, wo sich Teile der Arbeiterschaft von den Demokraten ab- und Trump zugewandt haben, hätte ein
„Ich sage euch, die arbeitenden Menschen in diesem Land haben die Arschkarte gezogen“
Tom Steyer Linksruck indes zur Folge, dass die Chancen auf ein Comeback der Blauen sinken. Je länger der Richtungsstreit andauert, umso lauter wird der Ruf nach personellen Alternativen. Nach schillerndem Personal, dessen Wiedererkennungswert sich mit dem des einstigen Immobilienmoguls und Reality-Show-Stars Trump messen kann.
Howard Schultz, der aus einem Kaffeehaus in Seattle die Weltmarke Starbucks machte, werden beispielsweise Ambitionen aufs Weiße Haus nachgesagt. Auch Mark Cu- ban, Besitzer des Basketballclubs Dallas Mavericks, ist im Gespräch, zumal die Fernsehsendung „Shark Tank“, deren unterhaltsamster Protagonist er ist, an Trumps „The Apprentice“erinnert. Im „Haifischbecken“entscheidet eine mal gnädige, mal hartleibige Unternehmerrunde darüber, ob man bei Anfängern mit mal einleuchtenden, mal ausgefallenen Geschäftsideen einsteigt oder nicht.
Steyer, der politischste Kopf unter all den hochgehandelten Nichtpolitikern, steht am weitesten links. Sein Vater, damals ein blutjunger Jurist, war Kläger bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen. Als er voriges Jahr an der UN-Klimakonferenz in Bonn teilnahm und von dort nach Nürnberg reiste, erzählt Steyer, habe er endgültig beschlossen, seine Kampagne gegen Trump zu starten. Man müsse moralisch Flagge zeigen, ehe es zu spät sei.
In Omaha spricht er irgendwann vom Streben nach Glück. „In unserer Verfassung steht, dass jeder nach seinem Glück streben soll. Es muss aber doch damit beginnen, dass un-
sere Kinder in den Genuss einer guten, kostenlosen Bildung kommen.“Universitäten ohne Studiengebühren, Krankenversicherungen für alle, größere Mitspracherechte für Arbeitnehmer: Was Steyer stichpunktartig auflistet, klingt tatsächlich wie eine Kopie des Programms von Bernie Sanders.
Ein Republikaner im Saal, kein Trump-Wähler, wie er betont, skizziert das Phänomen Trump. In prägnanten Sätzen erklärt er, warum sich Leute, die erst für Obama stimmten, später für den populistischen Bauunternehmer erwärmten. Für das Kontrastprogramm. Unter Obama, dem klugen Redner, sei es für viele nicht aufwärts gegangen, „und was sie an Trump mochten, war seine Art, es dir direkt ins Gesicht zu schleudern. Dafür lieben sie ihn noch immer. Deshalb glauben sie, dass er etwas für sie tut, was immer das auch sein mag.“
Der Kater der Ernüchterten – auch Steyer nimmt das Motiv unter Lupe. Viele Amerikaner, beobachtet er, seien zu dem Schluss gelangt, dass in der Hauptstadt allein das Geld regiere. Dass Großspender die Agenda bestimmten und„die Politiker nicht mehr für mich kämpfen“. Trump habe das ausgenutzt. Auch wenn er Lügen auftische, hielten ihm seine Anhänger in einer Art Trotz-Reflex die Treue. Zur Hölle mit dem System, sei ihre Antwort auf die Einwände der politisch Korrekten.
Trump, warnt Steyer, sei keine Eintagsfliege, dazu sitze der Frust zu tief. „Ich sage euch, die arbeitenden Menschen in diesem Land haben die Arschkarte gezogen.“Den Frustrierten das Gefühl zu geben, dass man sie nicht im Stich lasse, sei keine Frage akribisch formulierter Programmpapiere, zunächst mal sei es eine Frage des Instinkts. Eine Frage der Emotionen. Trump habe emotionale Bande zu den Enttäuschten geknüpft, während sich die Demokraten bis heute unendlich schwer damit täten. Das müsse sich ändern, mahnt der Banker aus San Francisco: „Die Partei der Arbeiterschaft, das sind doch wir.“