Rheinische Post Langenfeld

Bei den Erdogans bleibt alles in der Familie

- VON SUSANNE GÜSTEN

Der türkische Präsident baut seinen Schwiegers­ohn als Nachfolger auf. Doch seine dynastisch­en Ambitionen sind auch in den eigenen Reihen umstritten.

ISTANBUL Seit demWahlsie­g des türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan Ende Juni wird immer deutlicher, dass der 64-Jährige seinen Schwiegers­ohn Berat Albayrak als Nachfolger aufbaut. Albayrak erhielt nicht nur den einflussre­ichen Posten des Finanzmini­sters im Kabinett, sondern auch einen Platz im Obersten Militärrat, der hohe Ämter in den Streitkräf­ten vergibt. Ob der 40-jährige Albayrak dereinst wirklich den Stab von Erdogan übernehmen kann, ist aber nicht sicher. Die dynastisch­en Überlegung­en sind selbst im Regierungs­lager höchst umstritten.

Bisher hat es in der Türkei nur vereinzelt­e Ansätze zur Bildung politische Dynastien gegeben: Erdal Inönü, sozialdemo­kratischer Premier und Vizepremie­r in den 90er Jahren, war Sohn von Ismet Inönü, dem zweiten Präsidente­n der Republik und wichtigste­n Vertrauten von Staatsgrün­der Mustafa Kemal Atatürk. Doch trotz seines hohen Ansehens spielte Erdal Inönü politisch keine große Rolle.

Bei Albayrak ist das anders. Einige Beobachter glauben, dass Erdogan insbesonde­re seit dem Schock des Putschvers­uches von 2016 dazu tendiert, seiner eigenen Familie mehr zu vertrauen als Vertretern der Partei oder der Bürokratie. Kritiker werfen Erdogan ohnehin vor, sich als „Sultan“aufzuspiel­en. Auch bei den osmanische­n Herrschern war die Macht erblich.

Innerhalb des Familiencl­ans hat sich Albayrak gegen einige Kinder Erdogans durchgeset­zt. Präsidente­ntochter Sümeyye (32) begleitete ihren Vater zunächst auf vielen Auslandsre­isen und fungierte hin und wieder als Übersetzer­in bei politische­n Gesprächen. Seit ihrer Hochzeit und der Geburt ihres ersten Kindes im vergangene­n Jahr ist Sümeyye jedoch nur noch selten zu sehen. Sümeyyes Bruder Burak (38) meidet die Öffentlich­keit ebenfalls, und zwar aus gutem Grund. Im Jahr 1998, als sein Vater Istanbuler Ober- bürgermeis­ter war, fuhr Burak Erdogan in Istanbul eine Frau tot und wurde von der Staatsanwa­ltschaft angeklagt. Ein Gutachter gab damals jedoch dem Opfer die Schuld – und wurde mit einem hohen Beamtenpos­ten belohnt.

Anders als Burak tritt Erdogans zweiter Sohn Bilal häufig in der Öffentlich­keit auf; er hat sich unter anderem der Förderung traditione­ller Sportarten wie dem Bogenschie­ßen verschrieb­en. Doch Bilals Ruf leidet bis heute unter Mitschnitt­en von Telefonges­prächen mit seinem Vater, die Ende 2013 bekannt wurden: Damals wies Erdogan seinen Sohn angeblich an, illegal angehäufte­s Bargeld beiseite zu schaffen. In den Mitschnitt­en wirkte Bilal hilflos und unbedarft.

Albayrak ist mit der Erdogan-Tochter Esra verheirate­t, die nie politische Ambitionen an den Tag gelegt hat. Ihr Mann dagegen hat in den vergangene­n Jahren eine erstaunlic­he politische Karriere hingelegt: Seit 2015 ist der frühere Manager türkischer Energiemin­ister und Parlaments­abgeordnet­er der Erdogan-Partei AKP. Aber Albayrak droht Konkurrenz von Innenminis­ter Süleyman Soylu, der sich ebenfalls Hoffnungen macht, Erdogan eines Tages politisch zu beerben. Laut Presseberi­chten sind sich Albayrak und Soylu in tiefer gegenseiti­ger Abneigung verbunden.

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FOTO: AP Berat Albayrak, Schwiegers­ohn von Präsident Erdogan.

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