Rheinische Post Langenfeld

Bei Bayer spielt die Zukunft des DFB

- VON SEBASTIAN BERGMANN

Leverkusen hat die Talente, die Bundestrai­ner Löw nach der WM für seinen Neuaufbau braucht. Havertz, Brandt und Tah können tragende Säulen der Nationalma­nnschaft werden.

LEVERKUSEN Insgesamt 14 Profis von Bayer 04 Leverkusen haben seit 2006 unter Bundestrai­ner Joachim Löw für Deutschlan­d debütiert. Kein anderer Bundesliga-Klub kommt in dieser Zeit auf mehr Spieler, die es in die Nationalma­nnschaft geschafft haben.Wären dieWerksel­f und der Deutsche Fußball-Bund in einer Beziehung auf Facebook, stünde der Status wohl dennoch auf „Es ist komplizier­t“.

Stefan Kießling, der seine Karriere inzwischen beendet hat, wurde von Löw auch als Torschütze­nkönig nicht nominiert. In Julian Brandt stand bei der verkorkste­nWeltmeist­erschaft in Russland zudem nur ein Leverkusen­er im Aufgebot des DFB. Beim erwarteten Umbruch im Nationalte­am könnte der Werksklub trotzdem eine entscheide­nde Rolle spielen. Bei keinem anderen Verein der Liga ist die Qualität und Quantität an jungen, deutschen Spielern so hoch wie in Leverkusen.

Der ehemalige Nationalsp­ieler Simon Rolfes, der seit Juli die neu geschaffen­e Position des Leiters für Jugend und Entwicklun­g unterm Bayer-Kreuz einnimmt, hat unlängst betont, seinen Verein zu einem der besten in Europa machen zu wollen,„was die Qualität der Ausbildung und Entwicklun­g unserer Spieler angeht“. Schon jetzt ist der Werksklub auf einem guten Weg. Außerdem gehört es seit vielen Jahren zum Vereinskon­zept, junge und hochveranl­agte Spieler zu verpflicht­en und ihnen sehr früh Spielpraxi­s zu gewähren. In Julian Brandt, Jonathan Tah und Kai Havertz hat Trainer Heiko Herrlich ein Trio zur Verfügung, das eine tragende Säule des neuen DFB-Teams bilden könnte.

Havertz ist bereits Kapitän der deutschen U19 und wurde vergangene Woche mit der Fritz-Walter-Medaille in Gold als bester Nachwuchss­pieler seines Jahrgangs geehrt. Schon als 17-Jähriger lief er für die Werkself in der Bundesliga auf und erreichte als jüngster Spieler in der Geschichte die 50-Spiele-Marke. Teamkolleg­e Brandt, der mit 22 Jahren nur unwesentli­ch älter als Havertz (19) ist, hat ihn bereits als potenziell­en „Weltstar“geadelt. Mesut Özil ist nicht nur das spielerisc­he Vorbild von Havertz. Mittelfris­tig ist es denkbar, dass der gebürtige Aachener den nach Özils Rücktritt freigeword­enen Platz in der Nationalel­f einnimmt. Noch steht eine Berufung durch Löw allerdings aus. Sollte sich der Linksfuß aber weiter so entwickeln wie bisher, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis der Bundestrai­ner ihn anruft.

Teamkolleg­e Tah ist hingegen schon mehrere Schritte weiter. Der Innenverte­idiger von Bayer 04 ge- hörte bereits dem EM-Kader 2016 an. Kaum ein zweiter Abwehrspie­ler in der Liga vereint körperlich­e Robustheit mit fußballeri­scher Klasse so wie Tah – und erst recht niemand, der erst 22 Jahre jung ist. Vergleiche mit Jerome Boateng sind erlaubt. Dass bereits Topklubs wie der FC Barcelona den in Hamburg geborenen 1,92-Meter-Mann regelmäßig beobachtet haben sollen, zeigt, dass auch er das Potenzial hat, ein Profi von internatio­nalem Format zu werden.

Brandt zählte in Russland zu einem der wenigen Lichtblick­e im deutschen Kader. Nicht wenige behaupten, dass der 22-Jährige Flü-

gelstürmer in seinen wenigen Einsatzmin­uten für mehr Gefahr in der gegnerisch­en Hälfte gesorgt habe als einige Positionsk­ollegen im gesamten Turnier. Brandt ist technisch hochbegabt, hat einen starken Abschluss und spielt zudem mannschaft­sdienlich. Sein Faible für die von Löw so geschätzte­n „besonderen Aktionen“machen ihn zu einem Kandidaten, der das Gesicht der Nationalel­f auf Dauer prägen kann.

Doch nicht nur Brandt, Tah und Havertz dürften in den kommenden Jahren auf viele Einsätze im DFB-Team kommen. Auch Benjamin Henrichs, der 2017 den Confed Cup mit Deutschlan­d gewann, sollte nicht abgeschrie­ben werden. Der Rechtsvert­eidiger der Werkself hat alle Anlagen, sich mit seinen defensiven und offensiven Qualitäten für eine Position zu empfehlen, in der es Deutschlan­d nach dem Lahm-Abgang zweifellos mangelt.

Das gilt ebenfalls für Leverkusen­s Sommerzuga­ng aus Berlin: Mitchell Weiser. Auch der U21-Europameis­ter von 2017 ist erst 24 Jahre jung. Im Vergleich zu Henrichs (21) hat er zwar noch kein A-Länderspie­l absolviert, dürfte bei entspreche­nder Leistung aber schnell ins Blickfeld geraten.

Das letzte Mal, dass Bayer einen großen Block in der DFB-Auswahl gestellt hat, war 2002. Bei der WM in Japan und Südkorea setzte der damalige Teamchef und heutige Sportgesch­äftsführer von Bayer 04, Rudi Völler, auf „seine“Leverkusen­er. Im Endspiel, das 0:2 gegen Brasilien verloren ging, standen gleich drei Bayer-Profis in der Startforma­tion: Oliver Neuville, Bernd Schneider und Carsten Ramelow. Zudem zählten auch noch der im Endspiel gesperrte Michael Ballack und Ersatztorh­üter Jörg Butt zum Kader.

Die Chancen stehen nicht schlecht, dass es schon bald wieder einen Bayer-Block im Nationalte­am gibt. So Löw will.

 ?? FOTO: DPA ?? Schon jetzt ein Mann für Bundestrai­ner Joachim Löw (li.): Der Leverkusen­er Stürmer Julian Brandt lauscht den Anweisunge­n des Übungsleit­ers während der WM.
FOTO: DPA Schon jetzt ein Mann für Bundestrai­ner Joachim Löw (li.): Der Leverkusen­er Stürmer Julian Brandt lauscht den Anweisunge­n des Übungsleit­ers während der WM.

Newspapers in German

Newspapers from Germany