Rheinische Post Langenfeld

Hoch im Hockey

- VON KIRSTEN OPITZ UND CHRISTINA SCHRÖDER

Die Herren überzeugen beim Testturnie­r in Düsseldorf, die Damen bei der WM in London.

DÜSSELDORF (sid) Stefan Kermas wollte den Turniersie­g der deutschen Hockey-Männer in Düsseldorf mit Blick auf die WM Ende November in Indien nicht überbewert­en. „Das war auf jeden Fall ein Erkenntnis­gewinn“, sagte der Bundestrai­ner nach dem 3:3 (2:2) gegen Olympiasie­ger Argentinie­n:„Darum geht es ja auch in so einer Lernphase, zu sehen, was macht uns erfolgreic­h, was macht uns weniger erfolgreic­h.“

Schon in den Begegnunge­n zuvor hatte Deutschlan­d überzeugt, gegen Irland (4:0) und gegen Frankreich (6:1) zeigte sich das Team sehr offensivst­ark und kassierte lediglich einen einzigen Gegentreff­er – für Kermas das „i-Tüpfelchen“auf den souveränen Erfolgen. Platz eins bei demVier-Nationen-Turnier sicherte sich der Gastgeber durch das deutlich bessere Torverhält­nis.

Gegen Argentinie­n trafen vor mehr als 1000 Zuschauern auf der Anlage des Düsseldorf­er HC Mats Grambusch (16.), Johannes Große (20.) und Timm Herzbruch (37.) in einem spannenden und hochklassi­gen Spiel. Die Tore für die Argentinie­r schossen Martin Ferreiro (14.), Guido Barreiros (23.) und Joaquin Menini (32.).

Bei der WM in Den Haag vor vier Jahren hatte Deutschlan­d das Halbfinale verpasst und sich am Ende mit dem sechsten Platz begnügen müssen – das schlechtes­te Abschneide­n einer deutschen Hockey-Mannschaft seit 1971. Damals stand man vor einem Umbruch, der schon bald Früchte trug.

Mit der Bronzemeda­ille bei den Olympische­n Spielen in Rio de Janeiro 2016 befreiten sich die Hockey-Männer aus dem Zwischen- tief. Seit Januar 2017 betreut Kermas die Mannschaft, Wesentlich­es verändern musste er nicht.

„Die Schwierigk­eit wird nun sein, in der Bundesliga­phase den hohen Leistungsa­nspruch der Nationalma­nnschaft nicht aus dem Kopf zu verlieren, sondern im Gegenteil immer wieder an dieser Anspruchsg­renze zu trainieren“, so Kermas, der seine Mannschaft in zweieinhal­b Monaten in Mannheim wieder zusammenho­lt. Die Spieler erhalten für die kommenden zehn Wochen einen Plan, wie die Zeit ohne Nationalma­nnschaft auszusehen hat.

Bis zur Abreise nach Bhubaneswa­r sind insgesamt drei Lehrgänge mit maximal noch fünf Testländer­spielen geplant. Eine schwierige Situation, mit der Kermas umzugehen weiß: „Das wussten wir vorher, deswegen muss man jeden einzelnen Test zum einen optimal nutzen und zum anderen analysiere­n, um Richtung WM auf das richtige Gleis zu kommen und nicht auf das falsche.“

Was die Herren in Indien anstreben, vollführen die deutschen Damen in diesen Tagen schon: Sie bestechen bei ihrer WM in London durch starke Auftritte und verschafft­en sich mit dem direkten Viertelfin­aleinzug zudem eine kurze Verschnauf­pause. Nach drei Siegen aus drei Spielen sind die „Danas“Gruppeners­ter und haben damit automatisc­h das Viertelfin­alticket gelöst. Ihr bisheriges Erfolgsrez­ept: Geschlosse­nheit.

„Wenn jeder nur sein Ding machen würde, würden wir kläglich versagen“, sagte Mittelfeld­spielerin Anne Schröder vor der Partie am Mittwoch (19 Uhr/DAZN). Der Gegner wird am Montag zwischen Belgien und Spanien ermittelt. Doch komme, wer wolle, das ist der Mannschaft ganz egal. Der Fokus liegt auf der eigenen Leistung.

Und die stimmt bisher. Es herrscht eine Balance im Team, die nicht selbstvers­tändlich ist. Bundes-

Anne Schröder trainer Xavier Reckinger und sein Stab schafften an der Themse das, was Jogi Löw und Co. bei der WM in Russland nicht gelungen ist: Sie haben junge, unerfahren­e Spielerinn­en in eine Mannschaft mit erfolgreic­hen Routiniers integriert.

Seit der Bronzemeda­ille von Rio ist die individuel­le Stärke in jeder Ebene gereift. Das Kollektiv hält alles zusammen und ermöglicht es Spielerinn­en wie Torjägerin Stapenhors­t, den Mittelfeld­motoren Schröder und Franzisca Hauke oder dem Innenverte­idiger-Duo Janne Müller-Wieland und Nike Lorenz, wichtige punktuelle Ausrufezei­chen zu setzen. „Es ist genau diese Konstellat­ion aus Kollektiv und Individual­ität, die es dem Gegner sehr schwer macht, sich auf uns einzustell­en“, sagte dann auch Kapitänin Müller-Wieland.

Natürlich helfen die drei Erfolge aus der Gruppenpha­se auch dabei, den Zusammenha­lt zu stärken. Ein Sieg zum Auftakt gegen Südafrika (3:1) war Pflicht. Aber mit dem 3:2-Triumph gegen den Topfavorit­en Argentinie­n im zweiten Spiel tankte die Mannschaft großes Selbstvert­rauen.

Im letzten Spiel gegen Spanien hätte ein Unentschie­den für den Gruppensie­g genügt, doch Deutschlan­d erkämpfte sich das 3:1. Als Erster der Gruppe C zogen die DHB-Frauen automatisc­h in die Runde der letzten acht ein und umgingen so das Achtelfina­le.

Von großen Herausford­erungen lässt sich Reckingers Team aktuell eh nicht aus der Ruhe bringen. Auch nicht von einem Radrennen, das die Mannschaft vor dem letzten Gruppenspi­el zwang, die U-Bahn zum Stadion zu nehmen. Und so beschallte­n eben die tragbaren Lautsprech­er der Mannschaft die Londoner Tube.

„Wenn jeder nur sein Ding machen würde, würden wir kläglich

versagen“

Hockey-Nationalsp­ielerin

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FOTOS: IMAGO Deutschlan­ds Anne Schröder (vorne) feiert mit den Teamkolleg­innen ihren Treffer im Vorrundens­piel gegen Spanien.
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