Hoch im Hockey
Die Herren überzeugen beim Testturnier in Düsseldorf, die Damen bei der WM in London.
DÜSSELDORF (sid) Stefan Kermas wollte den Turniersieg der deutschen Hockey-Männer in Düsseldorf mit Blick auf die WM Ende November in Indien nicht überbewerten. „Das war auf jeden Fall ein Erkenntnisgewinn“, sagte der Bundestrainer nach dem 3:3 (2:2) gegen Olympiasieger Argentinien:„Darum geht es ja auch in so einer Lernphase, zu sehen, was macht uns erfolgreich, was macht uns weniger erfolgreich.“
Schon in den Begegnungen zuvor hatte Deutschland überzeugt, gegen Irland (4:0) und gegen Frankreich (6:1) zeigte sich das Team sehr offensivstark und kassierte lediglich einen einzigen Gegentreffer – für Kermas das „i-Tüpfelchen“auf den souveränen Erfolgen. Platz eins bei demVier-Nationen-Turnier sicherte sich der Gastgeber durch das deutlich bessere Torverhältnis.
Gegen Argentinien trafen vor mehr als 1000 Zuschauern auf der Anlage des Düsseldorfer HC Mats Grambusch (16.), Johannes Große (20.) und Timm Herzbruch (37.) in einem spannenden und hochklassigen Spiel. Die Tore für die Argentinier schossen Martin Ferreiro (14.), Guido Barreiros (23.) und Joaquin Menini (32.).
Bei der WM in Den Haag vor vier Jahren hatte Deutschland das Halbfinale verpasst und sich am Ende mit dem sechsten Platz begnügen müssen – das schlechteste Abschneiden einer deutschen Hockey-Mannschaft seit 1971. Damals stand man vor einem Umbruch, der schon bald Früchte trug.
Mit der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 befreiten sich die Hockey-Männer aus dem Zwischen- tief. Seit Januar 2017 betreut Kermas die Mannschaft, Wesentliches verändern musste er nicht.
„Die Schwierigkeit wird nun sein, in der Bundesligaphase den hohen Leistungsanspruch der Nationalmannschaft nicht aus dem Kopf zu verlieren, sondern im Gegenteil immer wieder an dieser Anspruchsgrenze zu trainieren“, so Kermas, der seine Mannschaft in zweieinhalb Monaten in Mannheim wieder zusammenholt. Die Spieler erhalten für die kommenden zehn Wochen einen Plan, wie die Zeit ohne Nationalmannschaft auszusehen hat.
Bis zur Abreise nach Bhubaneswar sind insgesamt drei Lehrgänge mit maximal noch fünf Testländerspielen geplant. Eine schwierige Situation, mit der Kermas umzugehen weiß: „Das wussten wir vorher, deswegen muss man jeden einzelnen Test zum einen optimal nutzen und zum anderen analysieren, um Richtung WM auf das richtige Gleis zu kommen und nicht auf das falsche.“
Was die Herren in Indien anstreben, vollführen die deutschen Damen in diesen Tagen schon: Sie bestechen bei ihrer WM in London durch starke Auftritte und verschafften sich mit dem direkten Viertelfinaleinzug zudem eine kurze Verschnaufpause. Nach drei Siegen aus drei Spielen sind die „Danas“Gruppenerster und haben damit automatisch das Viertelfinalticket gelöst. Ihr bisheriges Erfolgsrezept: Geschlossenheit.
„Wenn jeder nur sein Ding machen würde, würden wir kläglich versagen“, sagte Mittelfeldspielerin Anne Schröder vor der Partie am Mittwoch (19 Uhr/DAZN). Der Gegner wird am Montag zwischen Belgien und Spanien ermittelt. Doch komme, wer wolle, das ist der Mannschaft ganz egal. Der Fokus liegt auf der eigenen Leistung.
Und die stimmt bisher. Es herrscht eine Balance im Team, die nicht selbstverständlich ist. Bundes-
Anne Schröder trainer Xavier Reckinger und sein Stab schafften an der Themse das, was Jogi Löw und Co. bei der WM in Russland nicht gelungen ist: Sie haben junge, unerfahrene Spielerinnen in eine Mannschaft mit erfolgreichen Routiniers integriert.
Seit der Bronzemedaille von Rio ist die individuelle Stärke in jeder Ebene gereift. Das Kollektiv hält alles zusammen und ermöglicht es Spielerinnen wie Torjägerin Stapenhorst, den Mittelfeldmotoren Schröder und Franzisca Hauke oder dem Innenverteidiger-Duo Janne Müller-Wieland und Nike Lorenz, wichtige punktuelle Ausrufezeichen zu setzen. „Es ist genau diese Konstellation aus Kollektiv und Individualität, die es dem Gegner sehr schwer macht, sich auf uns einzustellen“, sagte dann auch Kapitänin Müller-Wieland.
Natürlich helfen die drei Erfolge aus der Gruppenphase auch dabei, den Zusammenhalt zu stärken. Ein Sieg zum Auftakt gegen Südafrika (3:1) war Pflicht. Aber mit dem 3:2-Triumph gegen den Topfavoriten Argentinien im zweiten Spiel tankte die Mannschaft großes Selbstvertrauen.
Im letzten Spiel gegen Spanien hätte ein Unentschieden für den Gruppensieg genügt, doch Deutschland erkämpfte sich das 3:1. Als Erster der Gruppe C zogen die DHB-Frauen automatisch in die Runde der letzten acht ein und umgingen so das Achtelfinale.
Von großen Herausforderungen lässt sich Reckingers Team aktuell eh nicht aus der Ruhe bringen. Auch nicht von einem Radrennen, das die Mannschaft vor dem letzten Gruppenspiel zwang, die U-Bahn zum Stadion zu nehmen. Und so beschallten eben die tragbaren Lautsprecher der Mannschaft die Londoner Tube.
„Wenn jeder nur sein Ding machen würde, würden wir kläglich
versagen“
Hockey-Nationalspielerin