Spahn sucht Pflegekräfte
Der Minister will Krankenhäusern eine Personaluntergrenze vorschreiben. Die Kassen warnen vor höherer Beitragslast.
BERLIN Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erhöht den Druck auf die Krankenhäuser, ihre Anstrengungen zu verstärken, die teils desolate Personalsituation in der Pflege zu bekämpfen. Ab 2020 will Spahn den Kliniken konkrete Vorgaben zum Pflegepersonal machen und Verstöße sanktionieren. Für jedes Krankenhaus solle das Verhältnis zwischen der Zahl der Pflegekräfte und dem anfallenden Pflegeaufwand errechnet und veröffentlicht werden, heißt es im Pflegepersonal-Stärkungsgesetz, das Spahn jetzt dem Bundeskabinett vorlegt. Wird ab 2020 in einem Krankenhaus eine bestimmte Personalgrenze unterschritten, soll es Honorarkürzungen geben.
Das Gesetz ist ein weiterer Mosaikstein bei dem Bemühen der Bundesregierung, den größer werdenden Pflegenotstand in Altenheimen und Krankenhäusern zu beheben. Erst Anfang Juli hatte Spahn gemeinsam mit Familienministerin Franziska Giffey und Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) eine „konzertierte Aktion“gestartet, um innerhalb eines Jahres die Zahl der Pflegekräfte in Altenheimen um 13.000 Stellen zu steigern. Geplant sind unter anderem eine Ausbildungsoffensive, eine bessere Vereinbarkeit von Pflegeberufen und Familie sowie mehr gezieltes Anwerben ausländischer Pflegekräfte etwa aus Albanien oder dem Kosovo.
Sozialverbände, Patienten- und Verbraucherschützer sowie die Krankenkassen begrüßten die Initiativen zur Verbesserung der Personalsituation grundsätzlich, übten aber Kritik im Detail. „13.000 neue Stellen sind ein erster Schritt. Gebraucht werden aber mindestens 60.000 zusätzliche Pflegefachkräfte, um die wachsende Zahl älterer Menschen mit höherem Pflegebedarf gut betreuen zu können“, sagte die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele. „Ganz wichtig ist dem VdK, dass die Kosten, die mit mehr Personal in der Pflege verbunden sind, nicht weiter den Pflegebedürftigen und ihren Familien aufgebürdet werden. Pflege darf niemanden arm machen.“
Auch der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) äußerte sich kritisch. „Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz rückt die Regierungskoalition die Situation der Kranken- und Altenpflege richtigerweise ins Zentrum“, sagte die Chefin des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer. „Eine Reihe von Maßnahmen soll helfen, mehr Personal für die Kranken- und Altenpflege zu gewinnen und im Beruf zu halten. Diese Ziele befürwortet und unterstützt der GKV-Spitzenverband ausdrücklich. Denn durch eine bessere Personalsituation in der Alten- und Krankenpflege wird sich auch die Versorgungsqualität für die Patienten und Heimbewohner erhöhen.“
Kritik übte sie allerdings daran, „dass die Politik dabei reflexhaft die Beitragszahlenden stärker belastet“. Nicht alle geplanten Maßnahmen seien Aufgaben einer Sozialversicherung wie etwa eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder der Ausbau der Digitalisierung von Pflegeeinrichtungen. „Das Volumen dieser versicherungsfremden Leistungen rechtfertigt einen Bundeszuschuss zur sozialen Pflegeversicherung“, sagte Pfeiffer.
Sie kritisierte zudem einzelne Krankenhäuser und Bundesländer. „In den letzten Jahren gab es Kliniken, die massiv im Bereich Pflege Stellen abgebaut haben.Wegen fehlender Investitionen der Bundesländer haben einige Kliniken die Gelder der Krankenkassen zweckentfremdet und damit Investitionen wie Umbauten bezahlt“, sagte Pfeiffer. „Das gilt es künftig zu verhindern. In diesem Sinn begrüßen wir den Vorstoß des Gesetzgebers, Mindestanforderungen zur Personalausstattung in Kliniken zu etablieren.“
Viele Kliniken ließen zudem die zeitlich begrenzte Sonderförderung der Krankenkassen zum Aufbau von Pflegekräften ungenutzt, beklagte Pfeiffer. In den ersten beiden Förderjahren 2016 und 2017 hätten die Krankenhäuser bislang von 300 Millionen Euro nur 157 Millionen Euro abgerufen.
Auch dieVerbraucherschützer übten Kritik an Spahns Gesetz im De- tail. „Die geplante Stellenförderung bezieht sich lediglich auf stationäre Einrichtungen. Der ebenso relevante ambulante Bereich bleibt leider außen vor“, bemängelte der Chef des BundesverbandesVerbraucherzentrale, Klaus Müller. Er kritisierte auch die Länder: „Es ist an der Zeit, dass die Länder der ihnen zugewiesenen Verantwortung bei der Finanzierung von notwendigen Investitionskosten der Pflegeeinrichtungen gerecht werden.“
In Spahns Gesetzentwurf fehle zudem eine Anpassung der Dynamisierungsregel, um dem stetigen Kaufkraftverlust von Pflegeleistungen entgegenzuwirken. „Pflegebedürftige dürfen nicht länger die finanziellen und unkalkulierbaren Risiken der Kostenentwicklung tragen“, sagte Müller.