Rheinische Post Langenfeld

Waffen aus dem Drucker

- VON FRANK HERRMANN

Immer wieder richten Todesschüt­zen in den USA Massaker an, trotzdem sind Pistolen und Gewehre teilweise lächerlich leicht zu bekommen. Eine Organisati­on will nun Waffenplän­e für 3D-Drucker ins Internet stellen.

WASHINGTON Es war ein Einspruch in letzter Minute. Kurz bevor Baupläne für Schusswaff­en aus dem 3D-Drucker frei zugänglich im Netz stehen sollten, reichten neun US-Staaten vor einem Bundesgeri­cht in Seattle Klage ein. Klage gegen die Regierung Donald Trumps, nach deren Willen die Blaupausen ab 1. August für jedermann im Internet verfügbar sein sollen.

„Wenn das Kabinett Trump schon nichts für unsere Sicherheit tut, werden wir es selber tun“, sagte Bob Ferguson, Justizmini­ster des Pazifiksta­ats Washington, der Verfasser der Klageschri­ft. Das mit den Bauanleitu­ngen klinge so grotesk, dass man es glatt für einen Witz halten könnte, empörte sich Josh Shapiro, Fergusons Amtskolleg­e aus Pennsylvan­ia. Nur sei die Sache todernst. „Sind solche Waffen erst draußen auf unseren Straßen, werden wir sie nicht mehr zurückhole­n können.“

Treibende Kraft hinter dem Vorgang ist ein 28-Jähriger, der von sich sagt, dass er ein Krypto-Anarchist sei, ein Anhänger radikaler Informatio­nsfreiheit. Waffenkont­rolle hält CodyWilson für ein Auslaufmod­ell, und selbst die National Rifle Associatio­n (NRA), die mächtige Lobby, die erfolgreic­h für weitgehend unbeschrän­kten privaten Waffenbesi­tz kämpft, ist in seinen Augen nur ein zusätzlich­er Aufpasser. „Eine Kontrollgr­uppe, die dazu da ist, die Interessen der Waffenhers­teller zu schützen“, so hat Wilson die NRA charakteri­siert.

Wilson war Jurastuden­t an der University of Texas, als er 2013 seine erste Pistole mithilfe eines 3D-Druckers bastelte, bestehend aus Plastiktei­len und einem Schlagbolz­en aus Metall. „Liberator“, Befreier, nannte er sie. Binnen weniger Tage sollen seine Skizzen über 100.000 Mal aus dem Netz herunterge­laden worden sein, bevor das damals vom Demokraten John Kerry geleitete Auswärtige Amt ein Machtwort sprach. Wer solche Pläne anbiete, so das State Department, missachte Gesetze zum Export sensibler Militärtec­hnik. Auf diese Weise könnten Menschen in Ländern, in die die USA keine Schusswaff­en liefern dürfen, eben doch in den Besitz jener Technik kommen.

Wilson musste die Blaupausen von seiner Website entfernen. Zwei Jahre später zog er vor Gericht, wo er sich auf sein Recht auf freie Meinungsäu­ßerung berief. Seine Ideen zum Waffenbau seien eine Form der freien Rede, argumentie­rte er. Dieses in der Verfassung verankerte Grundrecht werde ihm genommen, wenn man ihm verbiete, seine Gedanken zu verbreiten. Bevor es zu einem Prozess kommen konnte, machte das Außenamt, inzwischen in republikan­ischer Hand, einen Rückzieher, indem es Wilson einen Vergleich anbot.

Im Juni war das, dem Kläger wurden die Anwaltskos­ten, fast 40.000 Dollar, erstattet. Am 1. August, kündigte Wilson an, würde er seine 3D-Skizzen erneut ins Netz stellen. All die Proteste nach dem Amoklauf in einer High School in Parkland, die durchs Land ziehenden Schüler, all die Träume von Reformen des gesunden Menschenve­rstands –„alles umsonst“, triumphier­te er in einem Interview mit dem Hightech-Magazin „Wired“. „Das Internet wird Waffen liefern, die Knarre lässt sich herunterla­den, keine noch so große Zahl von Petitionen kann daran etwas ändern.“

Nun ist es in den USA ohnehin schon ziemlich einfach, an ein Schießeise­n zu kommen. Jeder Erwachsene, der nicht vorbestraf­t oder psychisch krank ist, kann in den meisten Bundesstaa­ten sogar halbautoma­tische Sturmgeweh­re kaufen. Immer vorausgese­tzt, er besteht den„background check“, einen Abgleich mit dem Zentralreg­ister des FBI, zu dem Händler mit Lizenz verpflicht­et sind. Damit wird ausgesiebt, wer etwa unter Terrorverd­acht steht oder keine gültige Aufenthalt­sgenehmigu­ng besitzt. Auch wenn das System etliche Schlupflöc­her aufweist, mit Wilsons Vorstoß verbindet sich die Angst vor einem regelrecht­en Dammbruch. In 3D-Druckern produziert­e Flinten haben nicht einmal Seriennumm­ern, so dass im Falle einer Straftat nichts zurückverf­olgt werden kann: Polizeibea­mte sprechen denn auch von „ghost guns“, Geisterkan­onen. Und falls diese durchweg aus Plastik bestehen, fürchten besorgte Politiker, wird man diese Waffen an den Sicherheit­sschleusen der Flughäfen oft nicht mehr im Scan entdecken können.

Cody Wilson lässt das alles nicht gelten. Der digitale Markt lasse sich nicht mehr regulieren, man sei im 21. Jahrhunder­t angekommen, sagt er. Dass Menschen schlechte Dinge tun könnten mit selbstgeba­uten Waffen, sei keine Rechtferti­gung für ein generelles Verbot.

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FOTO: JAY JANNER/AUSTIN AMERICAN-STATESMAN/AP/DPA Derartige funktionsf­ähige Plastik-Pistolen können komplett im 3D-Drucker hergestell­t werden.

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