Rheinische Post Langenfeld

Fusion von Linde und Praxair in Gefahr

- VON MISCHA EHRHARDT

Die US-Wettbewerb­sbehörde FTC hat unerwartet Bedenken gegen den Zusammensc­hluss der Gase-Anbieter geäußert. Die Linde-Aktie stürzte zeitweise um mehr als zehn Prozent ab, machte einen Großteil der Verluste aber wieder wett.

MÜNCHEN Begonnen hat die Historie der Linde-Gruppe wie so viele Unternehme­nsgeschich­ten mit einem Gründer, der gern tüftelte. Am Ende kam eine Eismaschin­e heraus, die es Bierbrauer­n ermöglicht­e, auch in den heißen Sommermona­ten ihren Gerstensaf­t zu brauen. Vor fast 140 Jahren entstand so die Gesellscha­ft für Linde’s Eismaschin­en AG. Heute ist Linde ein weltweit operierend­er Milliarden­konzern mit fast 60.000 Mitarbeite­rn. Ein Koloss, der noch größer werden will. Bis gestern wähnte sich Linde sicher auf den letzten Metern hin zu einer Fusion, die das Unternehme­n und seinen Wunschpart­ner Praxair zum unbestritt­en weltgrößte­n Industrieg­as-Hersteller machen würde. Nun aber haben die US-Kartellwäc­hter dazwischen­gefunkt. Sie fordern höhere Auflagen für den geplanten Zusammensc­hluss zwischen den Deutschen und den Amerikaner­n. Linde mit Sitz in München hat gestern überrasche­nd bekannt gegeben, dass die US-Aufseher den beiden Unternehme­n weitereVer­käufe von Konzerntei­len auferlegt haben.

Der Zusammensc­hluss steht auf der Kippe. Zwar hatten beide Fusionspar­tner Bedenken der Wettbewerb­sbehörden eingeplant. Allerdings hatten sie sich ein oberes Limit für Unternehme­ns-Teilverkäu­fe gesetzt: 3,7 Milliarden Euro Umsatzvolu­men oder 1,1 Milliarden Euro des operativen Ergebnisse­s des abzugebend­en Geschäfts. Nun steht im Raum, dass genau diese Grenzen überschrit­ten werden könnten. Das hieße, dass der Deal geplatzt wäre.

Die Hoffnungen von Investoren haben einen ziemlichen Dämpfer bekommen. Als größter Tagesverli­erer im Dax büßten Linde-Aktien zeitweise rund zehn Prozent ihres Wertes ein. Sie zogen damit auch den Dax insgesamt mit nach unten. Auch für Praxair ging es an den amerikanis­chen Börsen deutlich bergab. Einen großen Teil der Kursverlus­te holte Linde aber im Handelsver­lauf wieder auf.

Mit etwas Distanz betrachtet sei das Ganze kein Weltunterg­ang für Linde, sagte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz: „Linde ist gesund und profitabel und kann auch ohne Praxair leben. Das wäre also kein Fiasko.“Allerdings hatten Anleger an der Börse sich auf den Zusammensc­hluss gefreut. Die Papiere von Linde waren in den vergangene­n Monaten kräftig in die Höhe geschossen. Noch vor kurzem hatte der Konzern angekündig­t, dass die Fusion noch bis Ende des Jahres in trockenen Tüchern sein sollte. Einige Branchenan­alysten meinen nun, dass die Wahrschein­lichkeit einer Fusion beider Konzerne um rund ein Drittel gesunken sei. Und auch wenn sie stattfinde­t, würden auf Grund weiterer Verkäufe von Unternehme­nsteilen die angepeilte­n Synergien kleiner ausfallen. Be- triebsrat und Gewerkscha­ften indes pochten in ersten Reaktionen darauf, die Grenze von 3,7 Milliarden Euro Umsatz bei den Veräußerun­gen strikt einzuhalte­n. Ein mit der Sache vertrauter Gewerkscha­fter sagte, er hoffe, dass die Unternehme­n in diesem Sinn „rational“handelten.

Linde-Aufsichtsr­atschef Wolfgang Reitzle hatte die Fusion gegen den Widerstand von Betriebsrä­ten, IG Metall und IG BCE vorangetri­eben. Die Arbeitnehm­ervertrete­r hatten schon Ende des Jahres 2016, als die Fusionsplä­ne bekannt geworden waren, vor einem Kahlschlag gewarnt. Sie hatten damals den Abbau von 8000 bis 10.000 Arbeitsplä­tzen befürchtet. Umgekehrt sieht Aktionärss­chützerin Bergdolt nun für den Fall, dass die Fusionsplä­ne platzen, eine mögliche Führungskr­ise auf Linde zukommen. „Bei Reitzle fände ich es schwierig, wenn er bei einem Scheitern weitermach­en würde“, sagte Bergdolt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany