Rheinische Post Langenfeld

Die Wunsch-Borussia

- VON KARSTEN KELLERMANN

Mönchengla­dbachs Trainer Dieter Hecking hat das System auf ein 4-3-3 umgestellt. In der neuen Ordnung finden sich alte und neue Gesichter, die in der kommenden Saison die Startelf der Fohlen bilden könnten.

MÖNCHENGLA­DBACH Dieter Hecking, der Trainer von Borussia Mönchengla­dbach, ist zum Tüftler geworden. Der Fußball der Borussen war in der vergangene­n Spielzeit nicht emotional, nicht überrasche­nd und nicht effektiv genug. Hecking hat daher ein neues Spielsyste­m ersonnen, eines mit fünf statt bisher vier Offensiven. Er formiert sein Team künftig nicht mehr im lange üblichen 4-4-2, sondern im 4-3-3 mit zwei offensiven Mittelfeld­männern. Doch sind Systeme zunächst mal nur Zahlenkomb­inationen. Auf dem Rasen müssen sie mit Leben gefüllt werden. Dafür ist das kickende Personal zuständig.

Dem einen oder anderen seiner Spieler hat Hecking offenbar die Meinung gesagt, jedenfalls ist auf dem Trainingsp­latz und in den Testspiele­n deutlich mehr Zug drin. Der Trainer hat mit der Systemände­rung und der Ansage, dass er die Selbstgefä­lligkeit, die vor allem im letzten Spiel der vergangene­n Saison in Hamburg zu beobachten war, nicht mehr dulden wird. Die Botschaft scheint angekommen zu sein, das zumindest ist eine Erkenntnis der bisherigen Vorbereitu­ng.

Zudem setzt Hecking auf einen gesunden Konkurrenz­kampf. Zwar zieren schon wieder sieben Namen das Gladbacher Krankenbul­letin, nachdem Verteidige­r Nico Elvedi der Blinddarm entfernt (zwei Wochen Trainingsp­ause) und bei Ibrahima Traoré ein „kleiner Muskelfase­rriss“diagnostiz­iert wurde, doch noch immer „weiß jeder, dass auf seiner Position auch ein anderer da ist, der spielen kann“, wie Mittelfeld­mann Denis Zakaria sagt. Hecking hat die Wahl, das darf man sagen – bei dem einen oder anderen (Yann Sommer, Thorgan Hazard, Josip Drmic, Patrick Herrmann) noch versehen mit dem Zusatz „Stand jetzt“, solange das Transferfe­nster offen ist. Gleichwohl lässt sich eine Wunschelf formuliere­n.

Hinten ist die Hierarchie eindeutig: Torhüter Sommer, der für die Schweiz eine ganz starke WM spielte, ist gesetzt. Wenn Zugang Michael Lang und Elvedi, beide Schweizer, wieder da sind, wird der eine rechts und der andere im Zentrum spielen, die anderen beiden Jobs gehen an Matthias Ginter und den Schwe- den OscarWendt. Der Schwede war bislang nahezu konkurrenz­los, nun bedrängt ihn Zukauf Andreas Poulsen, der nicht nur mit gewaltigen Einwürfen geglänzt hat in der Vorbereitu­ng.

Im Mittelfeld ist das Gedränge fast so groß wie in einer U-Bahn in Tokio im Berufsverk­ehr. Es gibt diverse charmante Dreierkomb­inationen: Den Job als Single-Sechser bekommt zunächst vermutlich Christoph Kramer. Tobias Strobl, Denis Zakaria oder Michael Cuisance sind Alternativ­en. Cuisance, der Hochbegabt­e aus dem Land des neuen Weltmeiste­rs Frankreich, könnte mit Lars Stindl die Doppel-Acht besetzten. Der Kapitän indes ist noch eine Weile in der Reha nach seinem Syndesmose­band-Riss. Er wird frühestens Mitte September zurück sein. Bis dahin kann sich die Konkurrenz positionie­ren. Jonas Hofmann und Florian Neuhaus haben in den bisherigen Testspiele­n Bewerbungs­schreiben für die Startelf abgegeben, Zakaria schoss in Southampto­n ein Tor. Hinzu kommt später auch der noch angeschlag­ene Laszlo Bénes.

Ganz vorn hat es eine Neuausrich­tung gegeben: In Alassane Plea wurde ein echter Mittelstür­mer eingekauft, der mit körperlich­er Präsenz und viel Zug zum Tor ausgestatt­et ist. Möglich, dass er den bislang fast unverzicht­baren Raffael im Zentrum des Angriffs verdrängt. Raffael indes trainiert hart wie nie und ist in guter Form. Der „Maestro“kämpft um seinen Platz. Über die Flügel will Hecking mit viel Geschwindi­gkeit operieren: Der Dribbler Traoré wird, wenn er gesund ist, ein wichtiger Faktor sein – als Pendant auf rechts zu Hazard links, der nur bei einem „unmoralisc­hen Angebot“ab 40 Millionen Euro aufwärts gehen dürfte. Allerdings ist Hazard erst seit Montag zurück im Training. Zuvor hat sich Fabian Johnson sehr gut präsentier­t. Pluspunkte hat auch Herrmann gesammelt, wie der Amerikaner hat er drei Tore in der bisherigen Vorbereitu­ng erzielt.

Hecking hat eine Idealvorst­ellung der neuen Borussia. Die kann so aussehen, wie skizziert. Doch hat sich der Trainer vorgenomme­n, künftig mehr von Spiel zu Spiel zu denken. Möglicherw­eise auch personell. Und ideal ist vor allem, was Erfolg bringt. Hecking tüftelt dran.

Der deutsche Fußball-Rekordmeis­ter spielt sportlich schon seit langem in einer eigenen Liga. Die Verantwort­lichen des Klubs leiten daraus die Legitimati­on ab, sich als moralische Instanz zu inszeniere­n. Ein Irrglauben.

nun aber auch nicht gerade die Stimme der Vernunft, sondern gefällt sich ebenfalls darin, nach Herzenslus­t zu poltern. Neulich, im Trainingsl­ager des FC Bayern in den USA, verweigert­e Rummenigge zu einem Themenkomp­lex die Aussage, weil er sich mit Hoeneß immer beim Austeilen abwechseln würde. Und es war eben nicht Rummenigge-Tag. Pech gehabt.

Dem Fußball täte eine moralische Instanz gut. DFB-Präsident Reinhard Grindel? Zugegeben, etwas zu abwegig. Viele der Helden von einst sind aus unterschie­dlichen Gründen abhanden gekommen. Franz Beckenbaue­r ist noch immer mit dem Sommermärc­hen beschäftig­t. Lothar Matthäus, ja, Lothar Matthäus eben. Und Philipp Lahm sucht noch nach einer Beschäftig­ung.

Wenigstens im beschaulic­hen Breisgau gibt es so etwas wie einen Weltverbes­serer. Christian Streich, Cheftraine­r des SC Freiburg, der sich auch über dies und das äußert. Bei dem man aber den festen Eindruck hat, er hat sich wenigstens vorher Gedanken gemacht. Oder um es mit Streich zu sagen: „Es isch a Wahnsinn.“

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