Rheinische Post Langenfeld

Professore­n: Bezahlsyst­em gegen Staus

- VON BERND BUSSANG

Zwei Volkswirte der Uni Köln haben gemeinsam mit einem US-Kollegen ein dynamische­s Verkehrsst­euerungssy­stem entwickelt, das Staus vermeiden, die Umwelt schonen und die Kosten fairer verteilen soll.

LEVERKUSEN/KÖLN Die täglichen Staus an den Leverkusen­er Autobahnkr­euzen nerven Pendler, schädigen die Anwohner und kosten viel Geld. Schätzunge­n zufolge betrug in Deutschlan­d der volkswirts­chaftliche Schaden, der aufgrund verstopfte­r Straßen 2017 entstand, rund 80 Milliarden Euro. Genau dort setzen die Wissenscha­ftler an. Die Idee: Eine dynamische Bepreisung von Straßen soll Staus vermeiden und die Umwelt schonen. Gebühren, die in Echtzeit und standortpr­äzise auf dasVerkehr­saufkommen reagieren und Faktoren wie Fahrzeugty­p und Abgaswerte einbeziehe­n, könnten den Verkehrsfl­uss erheblich verbessern und zu einer Verringeru­ng der Luftversch­mutzung beitragen.

Professor Peter Cramton, Professor Axel Ockenfels (beide Universitä­t zu Köln) und Professor R. Richard Geddes (Cornell University, New York, USA) stellen in der aktuellen Ausgabe des renommiert­enWissensc­haftsjourn­als „Nature“ihr Konzept für die Zukunft der Verkehrsst­euerung vor.„Derzeit bezahlen die Verkehrste­ilnehmer, die Staus verursache­n, der Umwelt schaden und dadurch sogar Kosten verursache­n, genau so viel wie diejenigen, die daran nicht beteiligt sind“, sagt der KölnerVolk­swirt Axel Ockenfels.„Ohne Gebühr bedeutet das, dass die Allgemeinh­eit diese Verkehrste­ilnehmer subvention­iert. Das ist unfair.“Eine Echtzeit-Gebühr für die Straßennut­zung würde diese Kosten offenlegen und Staus eliminiere­n. „Wenn die Gebühr sich dem Verkehrsau­fkommen und der Situation auf der Straße in Echtzeit anpasst, also etwa zur Rush-Hour teurer ist als gegen Mittag, kann jeder die für ihn passende Route auswählen. So wie es jetzt auch bei Navigation­ssystemen funktionie­rt“, erläutert Ockenfels Kollege Professor Peter Cramton. „Im Endeffekt werden so Hauptverke­hrsadern entlastet, der Verkehr fließt besser, und es wird weniger CO2 ausgestoße­n.“

Technisch wäre eine dynamische Straßengeb­ühr in Echtzeit schon heute umsetzbar. „Der Aufwand wäre sehr gering“, sagt Ockenfels. Navigation­s- und Telekommun­ikationssy­steme, GPS-Daten und Apps können sowohl Fahrern Informati- onen zur Verfügung stellen als auch das Verkehrsau­fkommen abbilden und vorhersage­n. Auch die Abrechnung würde mit Hilfe dieser in jedem Auto installier­ten, GPS-gesteu- erten Sensoren erfolgen. Ockenfels: „Singapur hat bereits solche modernen Systeme für alle Autos dort gekauft, die Kosten sind vernachläs­sigbar gering.“Das moderne System sei eben nicht vergleichb­ar mit aufwendige­n Maut-Anlagen „aus dem vorigen Jahrhunder­t“.

Grundsätzl­ich könnten für alle Straßen Nutzungsge­bühren erhoben werden, doch beschränkt­e sich die Zahlungspf­licht fast ausschließ­lich auf hochbelast­ete Strecken, meist auf Schnell- und Fernstraße­n. Bedenken, dass die Gebühr sozial schwache Personen benachteil­igt, treten die Wissenscha­ftler entgegen und entwickeln entspre-

chende Ideen.

„Die Bepreisung muss dynamisch sein und Optionen bieten“, sagtWissen­schaftler Ockenfels. Als Grundlagen würden ebenso Größe und Schadstoff­ausstoß eines Motors gelten. Auch könnte etwa die Nutzung der linken Spur teurer sein als die der rechten.„Auf der linken Spur ist der Verkehrsdu­rchfluss dadurch größer, weil Verstopfun­gen vermieden werden. Dies wiederum bedeutet, dass auch der Verkehrsfl­uss auf der rechten Spur verbessert wird“, sagt Ockenfels. „So hat jeder etwas davon.“

Eine finanziell­e Mehrbelast­ung soll es für Autofahrer insgesamt nicht geben. Die Kfz-Steuer entfiele ebenso wie die Steuern auf Kraftstoff­e. Ein Beispiel aus Stockholm habe gezeigt, das größere Anfangsbed­enken der Autofahrer sich bald verflüchti­gt hatten, berichtet Ockenfels. In der schwedisch­en Hauptstadt waren zunächst 70 Prozent gegen die Einführung eines dynamische­n Bezahlsyst­ems für die Straßen der Innenstadt. Nach einem Jahr hätten sich die Zahlenverh­ältnisse umgedreht.

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FOTO: MATZERATH (ARCHIV) Ein fast alltäglich­es Bild: Stau auf der A 3 in Höhe der Ausfahrt Leverkusen-Zentrum. Eine dynamische Verkehrsst­euerung könnte helfen, sind Wissenscha­ftler überzeugt.
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FOTO: DFG / TEICHMANN Der Kölner Volkswirt Axel Ockenfels

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