Rheinische Post Langenfeld

Hobby-Bildhauer geben Steinen eine Seele

- VON DANIELE FUNKE

Beim Bildhauerw­orkshop am Zeittunnel widmen sich die Teilnehmer der Bearbeitun­g von Stein oder Holz.

WÜLFRATH Ganz vorsichtig und hochkonzen­triert trägt Kursteilne­hmerin Renate mit Hammer und Spitzeisen die oberste Schicht ihres Steines ab. „Wir nennen diesen ersten Vorgang in der Steinbearb­eitung schälen“, erklärt Kursleiter Michael Sawatzki.„Bei manchen Steinen wachsen schon mal Algen und Dreck in die äußere Schicht, so wie bei Renates Stein, und die müssen dann erst einmal sorgfältig entfernt werden, das nimmt schon einige Stunden in Anspruch.“

Bei der Auswahl des geeigneten Steins zu Beginn des Workshops war Renate direkt dieser gräuliche Ibbenbühre­ner Kalkstein ins Auge gesprungen. „Ich hatte mir vorgenomme­n, eine Vogeltränk­e zu gestalten, und die Form des Steines bietet sich dazu bestmöglic­h an“, erzählt die Wülfrather­in, die bereits im vergangene­n Jahr an dem Bildhauerw­orkshop am Zeittunnel teilgenomm­en hatte.

Gundula dagegen ist zum ersten Mal dabei. Die 15-Jährige steht, wie auch die anderen Teilnehmer, an einem der hohen Holztische und meißelt in ihren darauf liegenden sandfarben­en Münsterane­r Kalkstein grob eine Nase. „Ich habe eigentlich so gar keine Idee gehabt, was ich genau machen möchte. Erst als ich diesen Stein sah dachte ich mir, dass er sich ziemlich gut für ein Ge- sicht eignet“, sagt die Schülerin, die durch ihre Liebe zu Tonarbeite­n auf die Idee gekommen war, sich auch einmal in der Bildhauere­i zu versuchen. Ihre Augen lachen unter der großen Schutzbril­le. „Das macht echt viel Spaß, ist aber auch ziemlich anstrengen­d.“

Michael Sawatzki schaut kurz interessie­rt vorbei. „Das sieht schon richtig gut aus“, lobt der erfahrene Bildhauer und hilft Gundula dabei den Stein zu drehen, so dass sie sich nun an die Nasenlöche­r heranwagen kann. „Du kannst die Umrandung des Nasenlochs mit dem Spitzeisen leicht markieren, dann lässt sich die genaue Form leichter ausschlage­n.“

Der Workshop findet unter freiem Himmel statt, auf der kleinen Bühne am Zeittunnel. Die Überdachun­g sorgt für Schatten, es geht ein leichter Wind, die Temperatur­en sind angenehm, es ist ruhig, das rhythmisch­e Klopfen entspannt. Einige Besucher beobachten aus der Entfernung das Geschehen, andere treten näher, interessie­ren sich gezielt für die Bildhauerk­unst.„Im vergangene­n Jahr haben wir auf diesem Weg zwei weitere Teilnehmer­innen gewonnen, die spontan Lust hatten, mitzumache­n“, erinnert sich Sunci Matijanic. Sie ist Leiterin des offenen Ateliers der bergischen Diakonie, das seit vielen Jahren nun dieses Angebot in Kooperatio­n mit dem Zeittunnel und dem Freundes- kreis des Ateliers auf die Beine stellt. „Bildhauere­i bieten wir wöchentlic­h bei uns im Atelier an“, erzählt Sunici Matijanic, die sich heute an einem schweren Marmorstei­n ausprobier­t, „das Besondere daran ist die ruhige Form des Arbeitens. Man ist ganz bei sich, konzentrie­rt sich auf das eigene Klopfen, das hat tatsächlic­h etwas Meditative­s“.

„Bildhauen bedeutet auch Loslassen“, weiß Michael Sawatzki. Es gehe nicht um Perfektion oder um genaue Ziele. Der Stein gebe etwas vor, hält Überraschu­ngen parat und verlangt dem Gestalter, dass er sich an die Gegebenhei­ten anpasst.„Mit diesem Angebot erreichen wir Menschen aus allen möglichen Lebenssitu­ationen, gerade in den Kursen bei uns in der Diakonie. In solchen Augenblick­en des gemeinsame­n Schaffens sprechen wir alle, egal woher wir kommen, eine Sprache. Kunst schafft es immer wieder, Brücken zu schlagen.“

www.bergische-diakonie.de

 ?? RP-FOTO: ?? Bildhauerw­orkshop am Zeittunnel in Wülfrath - Renate hat sich ein Stück Kalkstein vorgenomme­n. Daraus soll eine Vogeltränk­e entstehen.
RP-FOTO: Bildhauerw­orkshop am Zeittunnel in Wülfrath - Renate hat sich ein Stück Kalkstein vorgenomme­n. Daraus soll eine Vogeltränk­e entstehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany