Mehrheit der Städte erhöht Steuern
Seit 2012 haben 60 Prozent aller Kommunen die Grundsteuer angehoben, zeigt eine Studie. 53 Prozent verlangen höhere Gewerbesteuern. In NRW ist die Belastung besonders hoch.
BERLIN/DÜSSELDORF Mehr als die Hälfte der Städte und Gemeinden in Deutschland haben in den Jahren seit 2012 mindestens einmal die Gewerbesteuer für Unternehmen und mindestens einmal die Grundsteuer erhöht, die Vermieter meist auf ihre Mieter umlegen. Gesenkt wurden die Steuern so gut wie nirgends. Das geht aus einer Studie der Unternehmensberatungsfirma Ernst &Young hervor, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Beim Gewerbesteuer-Hebesatz liegt Nordrhein-Westfalen Ende 2017 im Ländervergleich mit durchschnittlich 448 Prozent an der Spitze. Beim durchschnittlichen Grundsteuer-Hebesatz rangiert Nordrhein-Westfalen nach Berlin, Bremen und Hamburg mit 534 Prozent auf dem vierten Platz.
Beide Steuern sind wesentliche Einnahmequellen für die Kommunen, deren Höhe sie über die Hebesätze selbst festlegen. Die Steuer errechnet sich durch Multiplikation eines Messbetrags mit dem je- weiligen Hebesatz einer Gemeinde. Trotz der seit Jahren guten Konjunktur sind es oft finanzschwächere Kommunen in strukturell benachteiligten Regionen, die ihre Steuern erhöhen müssen, um bei hohen Sozialausgaben Defizite zu vermeiden. Höhere Steuern machen jedoch den Standort unattraktiver – ein Teufelskreis, aus dem die Kommunen nur mit Extra-Finanzspritzen ihrer Bundesländer herauskommen.
Der Studie zufolge haben 53 Prozent aller Kommunen seit 2012 mindestens einmal die Gewerbesteuer erhöht. 60 Prozent schraubten die Grundsteuer B für Baugrundstücke und Gebäude in die Höhe. „Wir haben sehr viele Kommunen, die unterfinanziert sind. Das gilt insbesondere für den sozialen Bereich. In NRW, im Saarland und Rheinland-Pfalz ist die Lage besonders ungünstig“, sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. Finanzschwachen Kommunen bleibe nur übrig, die Steuern zu erhöhen.„Das machen die Kommunen ja nicht aus Boshaftigkeit gegenüber den Steuerzahlern.“Die Gefahr sei- en immer größere Unterschiede zwischen armen und reichen Kommunen. Landsberg appellierte: „Es ist Aufgabe der Länder und des Bundes, dafür zu sorgen, dass das Gefälle nicht noch größer wird.“
Der Bund der Steuerzahler pocht auf eine striktere Ausgabendisziplin. „In der Regel sind es nicht Probleme bei den Einnahmen, sondern den Ausgaben. Deshalb finde ich es zu kurz gedacht, einen Freibrief für Steuererhöhungen zu geben“, sagte Reiner Holznagel, Präsident des Steuerzahlerbundes. Höhere Hebesätze führten oft „in eine Abwärtsspirale, wodurch die Kommune für Bürger und Betriebe unattraktiv wird“, sagte Holznagel.
NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) sieht vor allem den Bund in der Pflicht: „Jahrelang sind Aufgaben – besonders vom Bund – auf die Kommunen übertragen worden, aber einen entsprechenden finanziellen Ausgleich hat es nicht gegeben. Diese Entwicklung spiegelt die aktuelle Lage bei den Grund- und Gewerbesteuern“, sagte Scharrenbach. Mit Blick auf die vom Bund übertragenen Aufgaben sagte sie: „Deshalb setze ich mich bereits seit Längerem dafür ein, dass den zusätzlichen Aufgaben auch zusätzliche Bezahlung folgt.“Leitartikel