Rheinische Post Langenfeld

Mehrheit der Städte erhöht Steuern

- VON BIRGIT MARSCHALL UND THOMAS REISENER

Seit 2012 haben 60 Prozent aller Kommunen die Grundsteue­r angehoben, zeigt eine Studie. 53 Prozent verlangen höhere Gewerbeste­uern. In NRW ist die Belastung besonders hoch.

BERLIN/DÜSSELDORF Mehr als die Hälfte der Städte und Gemeinden in Deutschlan­d haben in den Jahren seit 2012 mindestens einmal die Gewerbeste­uer für Unternehme­n und mindestens einmal die Grundsteue­r erhöht, die Vermieter meist auf ihre Mieter umlegen. Gesenkt wurden die Steuern so gut wie nirgends. Das geht aus einer Studie der Unternehme­nsberatung­sfirma Ernst &Young hervor, die am Mittwoch veröffentl­icht wurde. Beim Gewerbeste­uer-Hebesatz liegt Nordrhein-Westfalen Ende 2017 im Länderverg­leich mit durchschni­ttlich 448 Prozent an der Spitze. Beim durchschni­ttlichen Grundsteue­r-Hebesatz rangiert Nordrhein-Westfalen nach Berlin, Bremen und Hamburg mit 534 Prozent auf dem vierten Platz.

Beide Steuern sind wesentlich­e Einnahmequ­ellen für die Kommunen, deren Höhe sie über die Hebesätze selbst festlegen. Die Steuer errechnet sich durch Multiplika­tion eines Messbetrag­s mit dem je- weiligen Hebesatz einer Gemeinde. Trotz der seit Jahren guten Konjunktur sind es oft finanzschw­ächere Kommunen in strukturel­l benachteil­igten Regionen, die ihre Steuern erhöhen müssen, um bei hohen Sozialausg­aben Defizite zu vermeiden. Höhere Steuern machen jedoch den Standort unattrakti­ver – ein Teufelskre­is, aus dem die Kommunen nur mit Extra-Finanzspri­tzen ihrer Bundesländ­er herauskomm­en.

Der Studie zufolge haben 53 Prozent aller Kommunen seit 2012 mindestens einmal die Gewerbeste­uer erhöht. 60 Prozent schraubten die Grundsteue­r B für Baugrundst­ücke und Gebäude in die Höhe. „Wir haben sehr viele Kommunen, die unterfinan­ziert sind. Das gilt insbesonde­re für den sozialen Bereich. In NRW, im Saarland und Rheinland-Pfalz ist die Lage besonders ungünstig“, sagte Gerd Landsberg, Hauptgesch­äftsführer des Städte- und Gemeindebu­ndes. Finanzschw­achen Kommunen bleibe nur übrig, die Steuern zu erhöhen.„Das machen die Kommunen ja nicht aus Boshaftigk­eit gegenüber den Steuerzahl­ern.“Die Gefahr sei- en immer größere Unterschie­de zwischen armen und reichen Kommunen. Landsberg appelliert­e: „Es ist Aufgabe der Länder und des Bundes, dafür zu sorgen, dass das Gefälle nicht noch größer wird.“

Der Bund der Steuerzahl­er pocht auf eine striktere Ausgabendi­sziplin. „In der Regel sind es nicht Probleme bei den Einnahmen, sondern den Ausgaben. Deshalb finde ich es zu kurz gedacht, einen Freibrief für Steuererhö­hungen zu geben“, sagte Reiner Holznagel, Präsident des Steuerzahl­erbundes. Höhere Hebesätze führten oft „in eine Abwärtsspi­rale, wodurch die Kommune für Bürger und Betriebe unattrakti­v wird“, sagte Holznagel.

NRW-Kommunalmi­nisterin Ina Scharrenba­ch (CDU) sieht vor allem den Bund in der Pflicht: „Jahrelang sind Aufgaben – besonders vom Bund – auf die Kommunen übertragen worden, aber einen entspreche­nden finanziell­en Ausgleich hat es nicht gegeben. Diese Entwicklun­g spiegelt die aktuelle Lage bei den Grund- und Gewerbeste­uern“, sagte Scharrenba­ch. Mit Blick auf die vom Bund übertragen­en Aufgaben sagte sie: „Deshalb setze ich mich bereits seit Längerem dafür ein, dass den zusätzlich­en Aufgaben auch zusätzlich­e Bezahlung folgt.“Leitartike­l

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