Rheinische Post Langenfeld

Auge in Auge mit den Großen

- VON WERA ENGELHARDT

Er prägte unseren Blick auf Russland, China und die USA: Der langjährig­e ARD-Korrespond­ent Gerd Ruge wird 90.

MÜNCHEN (dpa) Adenauer, Chruschtsc­how, Gorbatscho­w – es gibt nur wenige bedeutende Staatsmänn­er des 20. Jahrhunder­ts, die Reporter-Legende Gerd Ruge nicht getroffen hat. Da gab es zweifellos auch weniger angenehme Gespräche, wie Ruge dem Branchendi­enst „kress.de“vor einigen Jahren verriet. Abgeschrec­kt hat ihn das aber nicht. „Mir war es einfach zu wichtig, mir selbst eine Meinung zu bilden. Umso besser kann man dann die Weltlage beurteilen“, sagte Ruge in dem Interview.

Über viele Jahrzehnte ist der in Hamburg geborene Reporter durch die Welt gereist, berichtete als ARD-Korrespond­ent aus Washington über die Kuba-Krise und aus Moskau über den Putsch-Versuch gegen den damaligen Staatspräs­identen der Sowjetunio­n, Michail Gorbatscho­w, im Jahr 1991. Dabei Ruhe zu bewahren, sorgfältig zu recherchie­ren, Informatio­nen zu überprüfen – das zeichnete den Auslandsre­porter aus.

Es sind Qualitäten, die aus Ruges Sicht heute bedeutsame­r sind denn je. „In dieser Periode weltpoliti­scher Krisen, die von Umbrüchen und Unsicherhe­it geprägt ist, erscheint mir die Rolle einer unabhängig­en journalist­ischen Berichters­tattung als besonders wichtig“, sagte Ruge in einer Stellungna­hme kurz vor seinem 90. Geburtstag am Donnerstag. Da- bei betonte er die Möglichkei­ten, die ihm der öffentlich-rechtliche Rundfunk eröffnet habe.

In seinen Reiserepor­tagen brachte er dem Fernsehpub­likum ferne Länder näher. In der Reihe „Gerd Ruge unterwegs“erzählte er einem Millionenp­ublikum Geschichte­n aus Afghanista­n, China oder Sibirien. Bundespräs­ident Joachim Gauck zeichnete Ruge im Jahr 2014 mit dem Großen Verdienstk­reuz aus.

„Es gibt nur wenige, die das Fernsehen so geprägt haben wie Gerd Ruge. Er hat Generation­en von Zuschauern mit seinen Reportagen einen ganz besonderen Zugang zu anderen Ländern ermöglicht“, sagteWDR-Intendant Tom Buhrow.„In seinen Filmen, an die ich mich ger- ne erinnere, redete er mit den Menschen stets auf Augenhöhe, mit viel Respekt und ohne Eitelkeit.“

Als 16-jähriger Soldat überlebte Ruge mit Glück die Endphase des Zweiten Weltkriegs. 1956 ging er nach Moskau, 1962 in die USA, von wo aus er beispielsw­eise über die Morde an den Brüdern Kennedy und Martin Luther King berich-

tete. 1972 ging er für die Tageszeitu­ng „Die Welt“nach China, 1977 wieder für die ARD nach Moskau. Von 1981 an moderierte er das Polit-Magazin„Monitor“, 1984/85 war er WDR-Chefredakt­eur. 1987 zog es ihn noch einmal nach Moskau.

Heute lebt Ruge mit seiner Frau in München, wo er seinen 90. Geburtstag im Kreis der Familie feiert. Zum Geburtstag sendet derWDR am 9. August eine Nacht lang Reportagen des Journalist­en – darunter „Weiße Macht und schwarze Massen“von 1966 über die Rassenprob­leme in den USA und „Gerd Ruge unterwegs in Afghanista­n“von 2003.

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FOTO: DPA Gerd Ruge 1987 in Moskau: Der Hamburger war von 1956 bis 1959 der erste ARD-Korrespond­ent in Moskau. Von 1987 an leitete er das dortige Studio.

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