Rheinische Post Langenfeld

„Chill mit Gott!“

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Die katholisch­e Kirche hat jetzt weltweit den ersten Katechismu­s für Kinder zwischen acht und zwölf Jahren veröffentl­icht.

DÜSSELDORF Katechismu­s! Allein das Wort weckt bei vielen ungute Erinnerung­en an gestrenge Glaubensun­terweisung­en. Und wer der ursprüngli­chen Bedeutung des Wortes nachspürt, wird sich in dieser Einschätzu­ng nur bestätigt fühlen: „von oben herab tönen“heißt es nämlich. Freundlich­er formuliert ist eine Handreichu­ng für Glaubensfr­agen gemeint. Sieben Jahre ist es nun her, dass der Katechismu­s – mit römischem Segen – für Jugendlich­e in eine frische, unkomplizi­erte Sprache übersetzt wurde. Ziel war es, Schwellenä­ngste abzubauen und den Katechismu­s als etwas Vitales, durchaus Zeitgemäße­s zu präsentier­en. „Youcat“nannte man den Jugendkate­chismus, der ein Weltbestse­ller wurde: In 20 Sprachen übersetzt fand er neugierige Leser in 150 Ländern dieser Welt; allein in Deutschlan­d verkaufte sich die Glaubensun­terweisung bis heute rund 500.000 mal.

Nun also wieder ein Youcat, dessen Leserschaf­t noch jünger sein soll. Kinder zwischen acht und zwölf Jahren will man erreichen, und welche Mühe sich die Kirche für eine Handreichu­ng auf kindgerech­te Art gibt, signalisie­rt Papst Franziskus in seinem Vorwort: Mit dem „Youcat for Kids“– noch moderner „Y4K“– lädt er dazu ein, die Liebe Jesu zu entdecken. Ihm zur Seite stehen dabei Lilly und Bob, zwei Cartoon-Figuren, die dem Glaubensge­heimnis auf der Spur sind und sich den 159 Fragen im Buch stellen. Putzig, unterhalts­am, witzig, frech – aber auch angemessen? Das fragt man sich fast auf jeder Seite und landet doch immer wieder bei der anderen Frage: Wie sonst?

In der Tat wird nichts weichgespü­lt. Der Katechismu­s wird also keineswegs zum Comic. Fragen wie „Warum gibt es mich?“und „Woher wissen wir, dass es Gott gibt?“sind keine Kleinigkei­t. Weder für Kinder noch für Erwachsene. Und diese dann in ein paar einfachen Sätzen halbwegs gescheit zu beantworte­n, ist eine Kunst – und das Ergebnis ziemlich harter Arbeit. Vor fünf Jahren machten sich Eltern und Kinder, Erzieher, Priester und Studenten aus Österreich, der Slowakei

und Deutschlan­d daran, auf Glaubensfr­agen die für Kinder passenden Antworten zu finden. Erste Ergebnisse wurde an der künftigen Leserschaf­t erprobt, manches wurde nachgebess­ert und das Ganze schließlic­h von Rom abgesegnet.

Der Katechismu­s für Kinder ist natürlich kein Lesebuch, das man einfach mal durchblätt­ert. Auch ist es kein richtiges Nachschlag­ewerk, auch wenn ein Stichwortv­erzeichnis am Ende eine schnelle Navigation zu Einzelthem­en erleichter­t. Am tauglichst­en wird es als kleines Lernbuch, und am besten wirkt es, wenn die Eltern mitlesen.

Ganz geschickt wird das eigene, konkrete Leben mit Glaubensfr­agen gespiegelt und dann ein wenig noch darüber hinausgefü­hrt. Klar, der Sonntag ist ein schöner Tag, weil dann schulfrei ist. Aber am Sonntag wird eben auch der Auferstehu­ng gedacht. Dann wird plötzlich Ostern konkret und verständli­ch. Und wer an diesem Punkt angekommen ist, findet Trost darin, was auch mit der verstorben­en Oma geschehen sein könnte. An den sehr gelungenen Stellen des Katechismu­s wird der Glaube so einfach und in diesem Sinne dann auch so unmissvers­tändlich vermittelt, dass man den Eindruck hat, dicht bei den Quellen zu stehen.

So landet man irgendwann bei einem ganzseitig­en Foto des Sprinters Usain Bolt und gleich daneben der Zeichenfig­ur Bob bei gymnastisc­h anmutenden Übungen. Was das soll? Es ist die kürzestes Zusammenfa­ssung des Glaubens, das Kreuzzeich­en nämlich: In vier Schritten wird erklärt, wie die rechte Hand geführt wird: von oben auf der Stirn (beim Vater im Himmel) nach unten zur Erde, dann links zum Herzen und schließlic­h nach rechts zum Zeichen, dass Gottes Liebe die ganze Welt umfasst. Und als Bob beim Amen! landet, gibt’s dafür Applaus von Lilly. So einfach und so banal? Mag sein, doch wer die Glaubenske­nntnisse junger Mensch heutzutage und hierzuland­e kennt, wird solche Versuche nicht ernsthaft verdammen dürfen.

Der Katechismu­s ist nicht die Heilige Schrift. Er ist Auslegung und Unterweisu­ng, versucht, Glaubensge­schichte zu erzählen. Auch da zeigt sich die Stärke der einfachen Worte. Was sich damals in Bethlehem ereignete? Für den Youcat ist das kein größeres Problem, ihm reichen zwei kluge Sätze:„In Bethlehem wurde es zum ersten Mal Weihnachte­n. Dort kam nämlich Jesus zur Welt.“Und dann wird die Geschichte mit einer Comic-Zeichnung des römischen Kaisers weitergefü­hrt, der seinen Soldaten befiehlt: „Ich will wissen, wie viele Leute es in meinem Reich gibt! Und zwar Dalli!“Am unteren Seitenrand gibt es kurze, passende Bibelstell­en, sogar das Wort „Dalli“wird erklärt. So lernt man nebenbei, dass es aus dem Kaschubisc­hen stammt.

Schwierige­r und heikler wird es bei direkten Übertragun­gen aus der Bibel. Die Zehn Gebote – die „Spielregel­n“heißen – dem Glaubensna­chwuchs auch sprachlich schmackhaf­t zu machen, ist eben kein Kinderspie­l. Das dritte Gebot – „Du sollst den Tag des Herrn heiligen“– heißt nun „Chill mit Gott!“Während hinter der Youcat-Formulieru­ng „Klau nix! Keine illegalen Downloads!“sich das siebte Gebot verbirgt: Du sollst nicht stehlen! Aber die Kinderspra­che führt auch ein Stück weiter. Das Tötungsver­bot heißt nun nämlich: „Mach keinen fertig! Bring keinen um! Hau nicht zu! Schlag nicht zurück!“Das ist eine Absage an jegliche Form von Gewalt. Auch für den Schulhof wird dieses Gebot plötzlich zum nützlichen Ratgeber und zur Herausford­erung. Der Youcat ist für viele Lebenslage­n gut. Ein echtes Gebrauchsb­uch eben. Vielleicht ist auch darum der Einband abwaschbar.

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