Rheinische Post Langenfeld

Die Deutschen bleiben Pfennigfuc­hser

- VON FRANK DIETSCHREI­T

Das Deutsche Historisch­e Museum in Berlin versucht, die deutsche Sparwut zu erklären.

BERLIN Seit die Europäisch­e Zentralban­k die Kapital-Schleusen geöffnet und die von der Finanzkris­e gebeutelte­n Länder mit Milliarden-Krediten vor dem Ruin gerettet hat, sind für deutsche Sparer schlechte Zeiten angebroche­n: Denn die Null-Zinspoliti­k bewirkt, dass das auf den Sparbücher geparkte Geld nicht mehr automatisc­h mehr, sondern weniger Wert ist.

Trotzdem, und das wirft einen tiefen Blick auf die seltsame Psyche der hierzuland­e von „German Angst“geprägten Menschen, hören die Deutschen einfach nicht auf zu sparen. Selbst in der Finanzkris­e haben sie eine Sparquote von fast zehn Prozent ihrer verfügbare­n Einkommen. Obwohl die Chinesen noch mehr Geld zur Seite legen, haben die Deutschen das Sparen quasi zur Ersatz-Religion erklärt, blicken arrogant auf andere Nationen (die Griechen können ein Lied davon singen!), die nichts von der schwarzen Null halten.

Das Sparen hat uns zu Pfen- nigfuchser­n gemacht. Doch woher kommt diese Sparwut, welche Folgen hat sie für uns und andere? Diese und ähnliche Fragen versucht eine Ausstellun­g im Berliner Historisch­en Museum (DHM) mit hunderten von Exponaten zu umkreisen: „Sparen – Geschichte einer deutschen Tugend“. Das hat einen durchaus ironischen Unterton: Denn was die Deutschen als positive Eigenschaf­t empfinden, geht anderen Nationen gehörig auf die Nerven.Vor allem, wenn das Sparen zur Doktrin und zur politische­n Waffe wird: Wenn Kanzlerin Angela Merkel zum Höhepunkt der Finanzkris­e behauptet (und der TV-Mitschnitt läuft im DHM als Endlosschl­eife): „Wir sagen den Sparerinne­n und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind“, dann ist das pures Wunschdenk­en.

Die erste Sparkasse, die sich um das Geld des „kleinen Mannes“kümmerte und der Daseins- und Altersvors­orge von Arbeitern und Handwerken diente, wurde erst 1778 im Hamburg gegründet. Es folgte ein Siegeszug der Spar-Idee, schon um 1900 gab es in Deutschlan­d mehr als 9000 Sparkassen. Das gefiel auch den Kapitalist­en, denn „wer spart, hat etwas zu verlieren und geht nicht auf die Straßen“. Kaum verwunderl­ich also, dass für Karl Marx die Sparkassen „goldene Ketten“waren, „woran die Regierunge­n einen großen Anteil der Arbeiterkl­asse hält.“Dass Sparen immer auch ideologisc­hen Zwecken diente und die Deutschen ins Unglück stürzte, macht die umfangreic­he Schau mehrfach deutlich: Die vom kleinen Sparer gezeichnet­en Kriegsanle­ihen waren nach dem Ersten Weltkrieg nichts mehr wert, die Hyperinfla­tion derWeimare­r Republik beraubte sie endgültig ihrer Altersvors­orge. Ein paar Jahre später versprache­n die Nazis:„Dein Sparen hilft dem Führer!“, und auf Plakaten war zu lesen: „Deutsche Art bewahrt, wer arbeitet und spart!“

Es klingt paradox und ist doch die bizarre historisch­e Wahrheit: Während der Krieg Europa in Schutt und Asche legt und Millionen Menschen sterben, wächst das Sparvermög­en der Deutschen von 29 auf 97 Milliarden Reichsmark. Doch kaum ist der Krieg verloren und hat die Währungsre­form von 1948 die Guthaben dramatisch abstürzen lassen, geht das Sparen hierzuland­e wieder munter von vorne los.

Info

 ?? FOTO: DEUTSCHES HISTORISCH­ES MUSEUM ?? Werbeplaka­t der Sparkasse von 1952.Deutsches Historisch­es Museum: „Sparen – Geschichte einer deutschen Tugend“, bis 4. November, tägl. 10-18 Uhr
FOTO: DEUTSCHES HISTORISCH­ES MUSEUM Werbeplaka­t der Sparkasse von 1952.Deutsches Historisch­es Museum: „Sparen – Geschichte einer deutschen Tugend“, bis 4. November, tägl. 10-18 Uhr

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