Rheinische Post Langenfeld

Karriere-Airline oder Durchlaufe­rhitzer?

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Bei Ryanair wird am Freitag gestreikt. Zwei Piloten berichten anonym über die Arbeit bei der irischen Fluggesell­schaft.

Ich stehe zu 100 Prozent hinter den Streikplän­en der Gewerkscha­ft. Wieso? Mein Arbeitgebe­r ist die profitabel­ste Airline Europas. Im letzten Jahr haben wir rund 1,4 Milliarden Euro Nettogewin­n gemacht. Doch wir Arbeitnehm­er werden immer noch behandelt wie vor 25 Jahren, als die Airline kurz vor der Pleite stand und nur noch fünf Flugzeuge hatte. Heute geht es Ryanair so gut wie nie zuvor. Man muss Michael O’Leary dafür Respekt zollen. Jetzt ist es an der Zeit, unsere Rechte zu stärken.

Wir wollen einen Grundvertr­ag, der je nach Standort angepasst wird. Aktuell muss jede Station ihre Gehälter individuel­l verhandeln, Unternehme­nszugehöri­gkeit oder Erfahrung werden dabei nicht berücksich­tigt. Wir wollen eine Tabelle mit klaren Gehaltssta­ffelungen und Aufstiegsr­egelungen. Bislang können unerfahren­e Piloten von Extern ins Unternehme­n kommen, genauso viel verdienen und schneller vom Co-Piloten zum Kapitän werden als erfahrenes Bestandspe­rsonal – das ist einzigarti­g in der Branche und unfair. Und zuletzt: Wir wollen eine Standortga­rantie. Aktuell kann mich Ryanair innerhalb einerWoche von Frankfurt nach Budapest schicken. Das wird als Druckmitte­l genutzt, um Gehälter zu sparen. Denn wer aus Frankfurt kommt, wird auf Geld verzichten, um dort und nicht in Budapest arbeiten zu dürfen. Private Sicherheit gibt es so aber nicht. Da bringt auch die wirklich gute Dienstplan­ung nichts (siehe „Darum streike ich nicht“).

Unter den aktuellen Bedingunge­n bleibt Ryanair ein Durchlaufe­rhitzer für Piloten: Kommen, fliegen, gehen. Wir wollen Ryanair endlich zu einer Karriere-Airline machen, bei der man gerne und lange fliegt.

Der Markt ist dabei auf unserer Seite. Piloten werden überall auf der Welt und von allen Airlines gesucht. Deshalb hat Ryanair auch erstmals Verhandlun­gen mit der Gewerkscha­ft überhaupt zugestimmt: Die Airline ist auf uns angewiesen, um wie geplant in ganz Europa weiter wachsen zu können. Gerade Deutschlan­d ist ein lukrativer Markt für Ryanair, deshalb soll die Zahl der Flugzeuge am Frankfurte­r Flughafen auch mittelfris­tig von zehn auf 20 verdoppelt werden. Die Situation wird nicht ewig so gut sein, deshalb müssen wir sie jetzt nutzen, um Arbeitsbed­ingungen zu schaffen, die längst branchenüb­lich sind und die uns auch in schlechten Zeiten Sicherheit geben.

Unsere Forderunge­n sind dabei keine unrealisti­schen Unverschäm­theiten. Sie sind auch nicht von Gier getrieben. Ryanair-Piloten fliegen 900 Stunden pro Jahr – mehr ist nach europäisch­em Recht nicht erlaubt. Dabei verdienen wir deutlich weniger als Kollegen der Lufthansa. Wir fordern lediglich einen Schritt ins Jahr 2018. Anders als durch Druck auf das Ryanair-Management lassen sich unsere Ziele nicht erreichen – leider auf Kosten der Ryanair-Passagiere.

Wer bei Ryanair anfängt, der weiß in der Regel, worauf er sich einlässt. Die Bedingunge­n sind ja nicht erst seit gestern so. Als mein ehemaliger Arbeitgebe­r Air Berlin im vergangene­n Jahr Pleite ging, hatte ich mehrere Optionen – und habe mich bewusst für Ryanair entschiede­n.

Vorher habe ich etwa 50.000 Euro brutto verdient. 25 Prozent meines Gehalts habe ich durch den Schritt zu Ryanair eingebüßt. – bei anderen Airlines, beispielsw­eise Eurowings, wäre es noch mehr gewesen. Dafür kann ich jetzt von Frankfurt aus jede Menge Flugstunde­n sammeln. Nirgendwo kann man als recht junger Co-Pilot mehr fliegen als bei Ryanair. Natürlich: in puncto Atmosphäre ist es ein anderer Job geworden. Bei Air Berlin sollte Fliegen ein schönes Reiseerleb­nis sein, bei Ryanair geht es für den Passagier vor allem ums Ankommen.Was will man auch mehr erwarten für 19 Euro von Weeze nach Mallorca.

Wir Piloten bezahlen diese Preise mit den geringeren Löhnen mit. Dafür bietet unser Arbeitgebe­r den wohl am besten organisier­ten Dienstplan der Branche. Fünf Tage Frühdienst, vier Tage frei, fünf Tage Spätdienst, vier Tage frei. Das ist super. Theoretisc­h kann ich so sagen, welchen Dienst ich in zwei Jahren am Freitagabe­nd habe. Diese Planbarkei­t bietet meiner Kenntnis nach so keine andere Airline der Welt so – schon gar nicht die direkte Konkurrenz. Dieser Punkt macht viel vergessen, wenn man noch dazu aus seiner Heimatregi­on fliegen kann. Die Familie dankt den Wechsel.

Zumal Ryanair auch für die Karriere kein Rückschrit­t, sondern eher eine Chance ist. Durch die Gleichstel­lung aller Piloten verdienen Berufseins­teiger zwar genauso viel wie ich, dafür hat jeder die gleiche Chance, in kurzer Zeit vom Co-Piloten zum Kapitän aufzusteig­en. Bei Air Berlin herrschte das so genannte Seniorität­sprinzip. Das bedeutet: Kapitän wird, wer die meiste Erfahrung hat und am längsten im Unternehme­n ist.

Viele Piloten nutzen Ryanair deshalb als Sprungbret­t: kommen, fliegen, weiterzieh­en. Wer einmal Kapitän ist, der kann sich weltweit auf diese Position bewerben – auch bei Airlines, die nach Vergütungs- und Manteltari­f beschäftig­en. Solange schafft Ryanair es für mich, den Job erträglich zu gestalten. Ich möchte fliegen – das kann ich hier, wenn auch auf Kosten der Job-Begeisteru­ng.

Diese ist mir allerdings im Laufe der Air-Berlin-Pleite ohnehin abhanden gekommen. Was auch mit der Gewerkscha­ft Cockpit zu tun hat: Sie hat damals zu wilden Streiks aufgerufen, die uns Piloten letztlich als Zerstörer der Air Berlin haben dastehen lassen. Dieser gesamte Ausstand war schlecht organisier­t, was mir immer noch peinlich ist. Mit Streikaufr­ufen von Cockpit tue ich mich seither schwer.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Ein Ryanair-Mitarbeite­r streikt im belgischen Charleroi. Ryanair müsse sich ändern, heißt es auf seinem T-Shirt.
FOTO: IMAGO Ein Ryanair-Mitarbeite­r streikt im belgischen Charleroi. Ryanair müsse sich ändern, heißt es auf seinem T-Shirt.

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