Rheinische Post Langenfeld

Integratio­n kann Fachkräfte­mangel mildern

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Der Fachkräfte­mangel geht in die Hunderttau­sende. Trotzdem schickt Deutschlan­d dringend benötigte Arbeitskrä­fte weg.

Vor allem kleine und mittlere Unternehme­n klagen derzeit über akuten Fachkräfte­mangel. Da will die Betreiberi­n eines Altenpfleg­eheims Pflegekräf­te aus dem Kosovo anwerben, aber diese müssen Monate auf einen Termin in der Deutschen Botschaft warten. Ein junger Mann aus Gambia berichtet, er sei im zweiten Ausbildung­sjahr als Koch. Dennoch muss er ausreisen. Die Betreiberi­n einer Gießerei berichtet von einem Mitarbeite­r aus Nigeria, der bei ihr fest angestellt ist. Ihm droht die Abschiebun­g. Manche dieser Fälle (wie der eines afghanisch­en Bäckers in Bayern) gehen durch die Medien. Die meisten sind vor allem ein Ärgernis für die Firmen und ein Schicksals­schlag für die Ausreisepf­lichtigen.

Jeder dritte Handwerksb­etrieb meldet, dass er auf manche Ausbildung­splätze keine Bewerbung erhält. Der Fachkräfte­mangel geht in die Hunderttau­sende. Das Institut der deutschen Wirtschaft (Köln) schätzt den volkswirts­chaftliche­n Schaden auf 30 Milliarden Euro jährlich. Der demographi­sche Wandel verschärft sich mit jedem Tag der Untätigkei­t. Er ist zwar für sich genommen nicht zwingend ein Problem. Doch aufgrund der umlagefina­nzierten Sozialsyst­eme sind wir darauf angewiesen, die Anzahl an Leistungse­mpfängern pro Arbeitnehm­er nicht zu stark steigen zu lassen. Wir brauchen also mehr aktive Erwerbstät­ige. Fachleute gehen davon aus, dass wir eine Nettozuwan­derung von 500.000 Personen pro Jahr benötigen.

Da ist es verwunderl­ich, dass die Chancen der Integratio­n über den Arbeitsmar­kt nicht gesehen und endlich konsequent genutzt werden. Während wir uns schwer tun, Gefährder in Ihre Heimatländ­er zurückzufü­hren, schicken wir dringend benötigte Arbeitskrä­fte weg. Das ist absurd! Ich kann das keinem mehr erklären. Weder mit der Behauptung der Unionspart­eien, Deutschlan­d sei kein Einwanderu­ngsland, noch mit dem Beharren von Grünen und Linken, man dürfe Zuwanderun­g nicht nach Nützlichke­it steuern, ist irgendjema­ndem gedient. Deutschlan­d braucht einen Neustart in der Migrations­politik. Wir brauchen dringend ein Einwanderu­ngsgesetz.

Eine Säule muss sein, jenen die Möglichkei­t zum Spurwechse­l zu geben, die als Schutzsuch­ende kamen, aber keinen dauerhafte­n Schutz in Deutschlan­d bekommen. Wer sich integriert, deutsch spricht und für sich selbst sorgen kann, sollte über einen Einwanderu­ngsantrag einen legalen Aufenthalt in Deutschlan­d ermöglicht bekommen.

Zum anderen zeigt der Vergleich mit anderen Einwanderu­ngsländern, dass in Deutschlan­d bisher sehr wenig Einwanderu­ng zur Erwerbstät­igkeit stattfinde­t. Das hängt unter anderem mit den hohen Hürden zusammen: Um eine Blue Card zu bekommen, braucht man ein Arbeitspla­tzangebot mit einem Verdienst von mindestens 52.000 Euro jährlich - bei Mangelberu­fen sind es immer noch 40.560 Euro. In vielen Branchen ist das unrealisti­sch, gerade bei Ausbildung­sberufen. Stattdesse­n müsste der Betrag flexibel auf einen branchenüb­lichen Lohn gesenkt, die Einreise mit Jobseeker-Visum erleichter­t und die Anerkennun­g von berufliche­n Abschlüsse­n beschleuni­gt und vereinfach­t werden. Vor allem aber brauchen wir ein Punktesyst­em, so dass jeder seine Chancen auf eine Einwanderu­ng nach Deutschlan­d transparen­t abschätzen und gezielt darauf hinarbeite­n kann.

Die Freien Demokraten werden dafür nach der Sommerpaus­e einen Gesetzentw­urf im Deutschen Bundestag vorlegen.

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FOTO: DPA Michael Theurer

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