Rheinische Post Langenfeld

„Vom Lauf selbst weiß ich gar nichts mehr“

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Die EM-Zweite über 100 Meter spricht über ein Rennen im Tunnel und ihr Ziel mit der Staffel.

BERLIN Gina Lückenkemp­er ist nicht satt. Am Sonntag will sie mit der deutschen Sprintstaf­fel in Berlin ihre zweite EM-Medaille gewinnen. Im Gespräch beschreibt die 21-Jährige vom TSV Bayer 04 Leverkusen, was der Lauf zum 100-Meter-Silber in ihr auslöste – und, was sie zu Vergleiche­n mit Katrin Krabbe sagt.

Frau Lückenkemp­er, mit einem Tag Abstand: Wie haben Sie Ihren Lauf zur Silbermeda­ille empfunden? LÜCKENKEMP­ER: Vom Lauf selbst weiß ich gar nichts mehr. Ich habe den totalen Filmriss - null Erinnerung an das, was während des Rennens passiert ist. Von den Bahnen neben mir habe ich absolut nichts wahrgenomm­en.

Wie war es jenseits des Tunnels? LÜCKENKEMP­ER: Ich wusste, dass Einiges möglich sein würde, weil ich einWettkam­pftyp bin. Dann der Rückenwind von den Zuschauern, das puscht mich enorm. ImVorfeld hatte ich mir oft vorgestell­t, wie es im Olympiasta­dion sein könnte. Aber so geil, wie es letzten Endes war, kann man es sich nicht vorstellen.

Beschreibe­n Sie es mal! LÜCKENKEMP­ER: Meine letzte Erinnerung vor dem Startschus­s ist, dass ich in den Block gegangen bin und jemand in die Stille gebrüllt hat: „Lük-ken-kem-per. Dann habe ich nur gedacht: Jaaaah!

Und nach den 10,98 Sekunden? LÜCKENKEMP­ER: Als ich mich ins Ziel warf, merkte ich, dass ich vorne dabei war und hoffte, dass es irgendwie für eine Medaille gereicht hat. Als ich es realisiert­e, war es ein unglaublic­h geiles Gefühl.

Sie verzichten für die Staffel auf die 200 Meter.

LÜCKENKEMP­ER: Das Ziel, das wir alle vor Augen haben, ist auch hier eine Medaille. Kein einfaches Ziel, die anderen Nationen sind verdammt stark. Man muss sich nur die Besetzung des 100-Meter-Finales anschauen: Zwei Französinn­en, zwei Britinnen und zwei Niederländ­erinnen – und ich als einzige Deutsche. Das wird hochspanne­nd am Sonntag.

Haben Sie Ihr Silber gefeiert? LÜCKENKEMP­ER: Der Abend war verdammt lang. Erst der Marathon durch den Fragenwald der Journalist­en, dann der Dopingtest und ein kurzer Besuch im EM-Club des Leichtathl­etik-Verbandes – erst um halb drei war ich im Hotel. Wirklich feiern konnte ich nicht, weil ich dafür viel zu platt war. Schon in der Dopingkont­rolle hätte ich am liebsten nur noch geschlafen.

In fast jedem Beitrag über Sie taucht auch der Name Katrin Krabbe auf. Wie erklären Sie den Menschen, dass Ihre Leistung sauber ist?

LÜCKENKEMP­ER: Ganz einfach: Ich könnte meinem Körper und meinem Gewissen Doping niemals zumuten. Meinen Körper mutwillig und wissend zu zerstören für eine Medaille - das ist es mir einfach nicht wert.

Sie schöpfen noch nicht alle Trainingsr­eserven aus, laufen trotzdem schon unter elf Sekunden. Werden Sie noch schneller, wenn Sie mehr trainieren?

LÜCKENKEMP­ER: Ich glaube nicht, dass wir die Umfänge von aktuell fünf bis sechs Trainingse­inheiten pro Woche stark erhöhen müssen. Man darf nicht außer Acht lassen, dass ich keine Langstreck­enläuferin bin. Die Sprintermu­skulatur benötigt einfach Regenerati­onszeit. Die kriege ich nicht, wenn ich elf Trainingse­inheiten die Woche mache.

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