Rheinische Post Langenfeld

Kritik an Kindergeld für Ausländer

- VON JAN DREBES, BIRGIT MARSCHALL UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Der deutsche Staat zahlt mehrere Hundert Millionen Euro Kindergeld an Empfänger im Ausland – Tendenz steigend. Dahinter wird zum Teil Missbrauch vermutet.

BERLIN/DÜSSELDORF Die Zahl ausländisc­her Kindergeld­empfänger ist nach Angaben der Bundesregi­erung stark gestiegen. Die dadurch steigenden Kosten haben den Druck auf eine Änderung der Rechtsgrun­dlage massiv erhöht. Der Städte- und Gemeindebu­nd sowie Politiker von Union und SPD forderten am Donnerstag schnellstm­öglich eine sogenannte Indexierun­g. Demnach würde das Kindergeld an dem Niveau des Herkunftsl­andes bemessen, wenn die Kinder dort leben. Derzeit sind das innerhalb der EU und des Europäisch­en Wirtschaft­sraums 268.336. Die Kosten belaufen sich auf rund 340 Millionen Euro im Jahr. Die Überweisun­gen sind umstritten, weil die Lebenshalt­ungskosten in den Herkunftsl­ändern in der Regel geringer sind.

In Deutschlan­d beträgt das Kindergeld für das erste Kind 194 Euro pro Monat, in Rumänien in etwa ein Zehntel davon. 2017 zahlte der Staat Kindergeld für insgesamt 14,9 Millionen Kinder, darunter 2,8 Millionen Kinder von hier lebenden Ausländern. Die Gesamtkost­en beliefen sich auf rund 36 Milliarden Euro Kindergeld.Vor allem in Nordrhein-Westfalen wurden Betrugsfäl­le bekannt. In Wuppertal und Düsseldorf wurden jüngst 100 Verdachtsf­älle überprüft und in 40 Fällen fehlerhaft­e Angaben festgestel­lt. Der Schaden liegt bei 400.000 Euro.

SPD-Chefin Andrea Nahles will am 27. September mit den Oberbürger­meistern betroffene­r Städte in Berlin über das Problem des Missbrauch­s beraten. NRW-SPDChef Sebastian Hartmann sagte: „Die menschenre­chtsfeindl­iche Politik der Rechtsnati­onalisten in osteuropäi­schen EU-Staaten darf nicht dazu führen, dass starke Sozialstaa­ten und hohe Sozialstan­dards ausgenutzt werden.“Der Duisburger Oberbürger­meister Sö- ren Link (SPD) sprach von einem „System von Schlepperb­anden, die das Ziel haben, Sozialleis­tungen zu beziehen“. Das Kindergeld sei ein Vehikel, mithilfe falscher Dokumente das Maximum an Leistungen zu bekommen. „Wir beobachten schon seit Jahren einen Verfall in den Straßenzüg­en, wo die Menschen aus Südosteuro­pa leben.“Der Vorsitzend­e des Zentralrat­s der Sinti und Roma, Romani Rose, warnte vor „rassistisc­hen Stereotype­n, um Sündenböck­e zu produziere­n“.

Der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebu­ndes, Gerd Landsberg, sagte, es sei Aufgabe der Bundesregi­erung, dafür zu sorgen, dass die erforderli­che EU-Mehrheit für die Änderung der Rechtsgrun­dlage geschaffen werde. Der CDU-Europaabge­ordnete Elmar Brok dämpfte die Erwartunge­n. Die Bundesregi­erung benötige für ihr Vorhaben der Indexierun­g eine Mehrheit im EU-Ministerra­t und im EU-Parlament. „Das sehe ich im Moment noch nicht.“

Die Integratio­nsbeauftra­gte der Bundesregi­erung, Annette Widmann-Mauz (CDU), bemühte sich um eine Beruhigung der Debatte: „Die meisten ausländisc­hen Staatsbürg­erinnen und Staatsbürg­er, die in Deutschlan­d leben, arbeiten und zahlen in die Sozialkass­en ein.“Sozialmiss­brauch müsse aber natürlich bekämpft werden.

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