Krankenhäuser behandeln weniger Patienten
Der Mangel an Pflegekräften macht sich schon in weniger Klinikbehandlungen bemerkbar. Die Barmer fordert mehr Zentralisierung.
BERLIN Obwohl die Deutschen im Durchschnitt immer älter werden, ist die Zahl der Krankenhausfälle im vergangenen Jahr leicht zurückgegangen. Pro 1000 Versicherte mussten im vergangenen Jahr nur noch 214 Menschen im Krankenhaus behandelt werden, im Jahr davor waren es noch knapp 217. Auch die Zahl der Krankenhaustage war im vergangenen Jahr leicht rückläufig, obwohl die alternde Gesellschaft eigentlich eine Steigerung der Krankheitsfälle erwarten ließ. Allerdings gingen die Ausgaben für stationäre Behandlungen weiter deutlich nach oben, wie der am Donnerstag veröffentlichte neue Krankenhausreport der zweitgrößten Krankenversicherung Deutschlands, der Barmer Ersatzkasse, zeigt.
Über die Ursachen des Rückgangs der Krankenhausfälle rätseln die Experten von der Krankenkasse noch, doch sie stellen nachvollziehbare Vermutungen an: Wegen des zunehmenden Mangels an Pflegekräften sind die Kliniken gezwungen, einzelne Stationen zu schließen und sie mit anderen zu fusionieren. Zudem werden Kliniken auch dafür finanziell bestraft, wenn die Zahl der Krankenhausfälle die Planungen übersteigt. Ein weiterer Grund könnte der Anstieg der ambulanten Behandlungen in den Krankenhäusern sein: Auch das bindet Kräfte, die in der Klinik dann an anderer Stelle nicht zur Verfügung stehen. Das Krankenhaus kann dann weniger stationäre Behandlungen durchführen.
„Es werden Stationen stillgelegt, weil einfach das Personal fehlt“, berichtete Barmer-Chef Christoph Straub bei der Vorstellung des Krankenhausreports. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe zwar mittlerweile das Pflegepersonalstärkungs-Gesetz vorgelegt, mit dem die Zahl der Pflegekräfte in Kran- 593 63 530 602 63 539 628 66
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800 kenhäusern gesteigert werden solle. Die Branche unterstützt diese Initiative weitgehend, doch werde auch ein „Kannibalisierungseffekt“unter den verschiedenen Bereichen befürchtet, so Straub:Wenn mehr Pflegekräfte in der Grund- und Regelversorgung der Krankenhäuser eingesetzt würden, fehlten sie künftig in anderen Bereichen, etwa auf den Intensivstationen.
„Es wird in den kommenden Jahren einen Kampf um junge Fachkräfte geben“, sagte Gesundheitsökonom Boris Augurzky vom Essener Wirtschaftsforschungsinstitut RWI. „Das Gesundheitswesen muss schlichtweg attraktiver werden.“Denn auch das Handwerk und die Industrie buhlen um gute Fachkräfte. Bezahlung und Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen müssten besser werden.
Nach kürzlich veröffentlichten Zahlen fehlen hierzulande mindestens 35.000 Pflegekräfte. In der Altenpflege sind rund 23.000 Stellen offen, in der Krankenpflege fehlen mehr als 12.000 Fachkräfte und Helfer. Experten gehen teilweise von einem noch weitaus höheren Bedarf aus.
Trotz der Anstrengungen, die Zahl der Pflegekräfte zu erhöhen, wächst sie in den Krankenhäusern bisher aber nur langsam. 2017 versorgten 328.500 Vollkräfte die knapp 19,5 Millionen stationär in Kliniken behandelten Fälle, teilte das Statistische Bundesamt am Donnerstag mit. Das waren ein Prozent oder 3400 Pflegevollkräfte mehr als im Jahr zuvor.
Wie auch aus dieser Krankenhausstatistik hervorging, sank die Zahl der Behandlungsfälle um 77.500 oder 0,4 Prozent. Insgesamt standen hierzulande 1943 Krankenhäuser mit 497.200 Betten für die stationäre Behandlung zur Verfügung. Die Betten waren zu 77,8 Prozent ausgelastet. Der Klinikaufenthalt der Patienten dauerte im Durchschnitt 7,3 Tage. Rund 909.800 Vollkräfte waren in den Krankenhäusern tätig: 161.200 gehörten zum ärztlichen Dienst, 748.600 zum nichtärztlichen.
Die Stiftung Patientenschutz sieht Politik und Klinikträger in der Pflicht, den Pflegenotstand wirksamer zu bekämpfen. „Jetzt rächt es sich, dass die Krankenhäuser seit 20 Jahren auf Kosten der Pflege gespart haben“, sagte Vorstand Eugen Brysch. „Trotz Förderprogrammen der Bundesregierung schaffen die Kliniken es nicht, den Trend grundsätzlich umzukehren. Offensichtlich schafft mehr Geld nicht zusätzliche Stellen.“Neben anständigen Löhnen müsse man auch für gute Arbeitsbedingungen in der Pflege sorgen.
Die Barmer Krankenkasse dringt zudem auf eine stärkere Zentralisierung von Leistungen der Krankenhäuser – auch für einen gezielteren Einsatz dringend benötigter Pflegekräfte. „In Deutschland gibt es im internationalen Vergleich nach wie vor zu viele Krankenhausbetten und Fachabteilungen in Kliniken“, sagte Barmer-Chef Straub. „So wird die wertvolle und begrenzte Ressource Pflege auch da eingesetzt, wo sie keinen zusätzlichen Nutzen stiftet.“Zum Beispiel Schlaganfälle und Krebs sollten primär in qualifizierten Zentren behandelt werden. Davon profitierten alle.
Das Sterberisiko bei komplizierten Operationen hänge auch davon ab, wie und wo operiert werde. Bei planbaren komplizierten Operationen seien die Erfolgsaussichten für die Patienten in den Kliniken nicht überall gleich gut.
„Es werden Stationen stillgelegt, weil einfach
das Personal fehlt“
Christoph Straub
Barmer-Chef