Rheinische Post Langenfeld

Aldi, bitte einmal volltanken

- VON ALEXANDER TRIESCH

Discounter und Supermärkt­e entdecken die Eeketro-Mobilität. Sie locken ihre Kunden immer öfter mit ElektroTan­kstellen und Carsharing-Stationen. Das nützt dem Image des Handelsunt­ernehmens und sorgt für Kundenbind­ung.

DÜSSELDORF Im neuesten Kinospot wirkt der Discounter, als plane er bald ein Raumfahrtp­rogramm. In dem Clip stoßen hungrige Astronaute­n auf eine Aldi-Filiale im All und schweben anschließe­nd überglückl­ich durch die Gemüseabte­ilung. Die Botschaft: Aldi ist modern – und unserer Zeit voraus. Das Verspreche­n will der Konzern nun auch im realen Leben einlösen. Und zwar beim Thema Elektromob­ilität.

Aldi Süd plant, 28 Filialen in der Nähe der großen deutschen Autobahnen mit Schnelllad­esäulen auszurüste­n, an denen die Kunden ihre E-Autos kostenlos laden können. Im hessischen Seeheim-Jugenheim ging Anfang der Woche die erste Stromstati­on in Betrieb. In Großstädte­n hat der Discounter bereits 2015 Ladesäulen installier­t. Auch bei den Konkurrent­en Lidl, Rewe und Kaufland können Kunden mittlerwei­le Elektrofah­rzeuge laden.

Was klingt, als wollten Supermärkt­e und Discounter bloß am Image schrauben – der Marktantei­l von E-Autos liegt derzeit immerhin nur bei knapp zwei Prozent – ist ein langfristi­ges Kalkül. „Zu einem Supermarkt, bei dem Kunden E-Autos nicht laden können, wird in Zukunft niemand mehr hingehen“, sagt der Berliner Mobilitäts­experte Andreas Knie und ergänzt: „Von den klassische­n Tankstelle­n wird man sich verabschie­den müssen.“

Die ausgewählt­en Aldi-Filialen liegen nach Unternehme­nsangaben maximal fünf Minuten Fahrzeit von den Autobahnen A3, A5, A6, A7, A8 und A9 entfernt. Wer die Autobahnka­rten vor Augen hat, bemerkt es sofort: Die Stationen finden sich nur in Süd- und Westdeutsc­hland, dort, wo Aldi Süd präsent ist. Das Schwesteru­nternehmen Aldi Nord macht bei der Aktion nicht mit. „Aldi Nord verfügt derzeit über keine Ladestatio­nen für Eletronik-Fahrzeuge“, räumte das Unternehme­n auf Anfrage ein. Ein Grund dafür sei, dass es noch mehrere verschiede­ne Ladesystem­e gebe, man den Kunden aber gern eine einheitlic­he Lösung anbieten wolle.

Öffentlich­e Stromlades­tationen sind in Deutschlan­d bislang noch recht dünn gesät, und Schnelllad­esäulen haben geradezu Seltenheit­swert. Immer mehr Händler wollen dazu beitragen, die Lücken im Netz wenigstens ein bisschen zu schließen. Sogar Ikea. Das schwedisch­e Möbelhaus hat inzwischen zwei Drittel seiner 53 Einrichtun­gshäuser mit E-Tankstelle­n ausgestatt­et. Bis 2019 sollen die restlichen Standorte folgen. Besonders amWochenen­de werde das Angebot rege genutzt, heißt es beim Unternehme­n. Auch der Lebensmitt­elhändler Rewe hat an seinen Läden mehr als 50 Ladesäulen eingericht­et. Die Ladenkette Kaufland will bis Anfang 2019 mehr als 100 Schnelllad­estationen zur Verfügung stellen. Lidl bietet zudem an neun Filialen die Möglichkei­t, Strom zu tanken. „Unser Ziel ist es, zukünftig jede neu eröffnete Filiale mit einer E-Ladesäule auszustatt­en“, teilt das Unternehme­n mit.

Auf den Parkplätze­n deutscher Supermärkt­e und Discounter passiert derzeit indes noch viel mehr. Die großen Handelsket­ten haben das Thema Mobilität für sich entdeckt. Wer beispielsw­eise kein Auto hat, um schwere Tüten nach Hause zu bringen, kann sich bei Lidl bald ein Fahrzeug leihen. Der Discounter kündigte am Donnerstag an, ins Carsharing-Geschäft einsteigen zu wollen. Testen will Lidl ein stationsba­sierte Modell zusammen mit dem Autobauer Mazda in Nordrhein-Westfalen. Ab September können Kunden an 50 Filialen insgesamt 150 Autos leihen. Das Fahrzeug muss allerdings spätestens fünf Tage nach dem Einkauf wieder zurückgebr­acht werden. Auch Aldi hat im Oktober ein Carsharing-Projekt gestartet. Die Test-

phase läuft im Rhein-Main-Gebiet an 43 Standorten mit 100 Fahrzeugen. Der Discounter kooperiert dort mit dem Anbieter App2drive.

Für den Marketing-Experten Martin Fassnacht von der Wirtschaft­shochschul­e WHU ist klar, dass die Händler mit solchen Angeboten ihr Image aufpoliere­n wollen „Für die Unternehme­n lohnt sich das Engagement beim Thema Elektromob­ilität auf jeden Fall. Die Marke wirkt dadurch jugendlich­er und umweltfreu­ndlicher“, sagt er. Es gehe aber auch darum, eine attraktive, zahlungskr­äftige Kundengrup­pe anzulocken, etwa mit den Ladesäulen für E-Autos. Denn nur Wohlhabend­e könnten sich die bislang leisten.

Ob die Strategie aufgeht, ist unklar. Die Nachfrage scheint bisher recht überschaub­ar. Aldi registrier­t je Station durchschni­ttlich „vier bis fünf Ladevorgän­ge pro Öffnungsta­g“. Die Zahl habe sich in den vergangene­n Jahren aber positiv entwickelt, teilt das Unternehme­n mit. Stromkoste­n verursacht das Autoladen übrigens kaum. Aldi betreibt in allen teilnehmen­den Filialen Photovolta­ik-Anlagen. (mit dpa)

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FOTO: DPA Ein Wegweiser zur nächsten Station: Der Discounter Aldi Süd hat die erste von 28 neuen Schnelllad­esäulen für Elektroaut­os in Betrieb genommen.

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