Rheinische Post Langenfeld

Münsterane­r zahlen am meisten für Müll

- VON MILENA REIMANN

Müll- und Abwasserge­bühren in NRW gehen stark auseinande­r. Der Steuerzahl­erbund kritisiert, die Kommunen wirtschaft­eten unfair.

DÜSSELDORF Der Bund der Steuerzahl­er (BdSt) NRW wirft Kommunen in Nordrhein-Westfalen vor, Überschüss­e von Abwasser- und Müllentsor­gungsgebüh­ren nicht an die Gebührenza­hler zurückzuge­ben. Bei der Vorstellun­g der jährlich erhobenen Gebührenen­twicklung in NRW sagte BdSt-Vorsitzend­er Heinz Wirz: „Teilweise werden die Kernhausha­lte einfach durch Gebührenei­nnahmen subvention­iert.“Vor allem die Stadt Düsseldorf nennt der Steuerzahl­erbund. Die Stadtentwä­sserungsbe­triebe hatten dort 2016 rund 3,5 Millionen Euro ihres Jahresgewi­nns an den Haushalt der Stadt abgeführt. Auch Lünen soll 2017 rund 1,4 Millionen des Stadtbetri­ebs Abwasserbe­seitigung in den städtische­n Haushalt einbezahlt haben. Köln und Siegen diskutiere­n derzeit, ob sie es den Städten gleichtun sollen.

Das Vorgehen an sich ist nicht illegal. Der Bund der Steuerzahl­er kritisiert aber, dass die betroffene­n Kommunen die Gebühren stattdesse­n nicht senken. „Die Wohnungsko­sten sind insgesamt gestiegen, gerade dazu bekommen wir viele Anfragen von Bürgern“, sagte Wirz. In der Politik werde über steigende Mieten„lamentiert“, aber man müsse etwas tun.

Der Städte- und Gemeindebu­nd NRW sieht die Kommunen zu Unrecht in der Kritik. Peter Queitsch, Referent für Umweltrech­t, weist darauf hin, dass die Überschüss­e aus Abschreibu­ngen etwa von Kanalnetze­n und anderen langfristi­gen Investitio­nen stammten. Die Kommunen hätten vor Jahren darin investiert und bekämen nun Stück für Stück ihr Geld zurück – das sie für andere Dinge wie Schul- oder Kindergart­enbau nutzen könnten. Deshalb fließe das Geld in einigen Kom-

Reken (Kreis Borken)

Mettingen (Kreis Steinfurt)

Velen (Kreis Borken) munen in den Haushalt.

Allerdings räumt die aktuelle Rechtsprec­hung den Kommunen und deren Eigenbetri­eben eine Art Renditezus­chlag ein. Neben einem Betrag, der sich aus Zinssätzen der vergangen 50 Jahre errechnet, dürfen die Kommunen diesen noch um 0,5 Prozent erhöhen – wenn sie wollen. Laut Queitsch vom Städte- und Gemeindebu­nd wird das Geld als eine Art Risikorück­lage gebraucht, falls ein Kanal, der 50 Jahre abgeschrie­ben wird, schon vor Ablauf dieser Zeit erneuert werden muss. Der BdSt findet hingegen, dass die Gebühren unter anderem auch dadurch zu teuer werden.

Die Auswertung des BdSt zeigt, dass je nach Kommune sehr unterschie­dliche Gebühren gezahlt werden müssen. Spitzenrei­ter bei den Abfallgebü­hren ist die Stadt Münster. Dort zahlt ein Vierperson­en-Musterhaus­halts mit einer 120-Liter-Restmüllto­nne und einer ebenso großen Biotonne bei 14-tägiger Leerung 564 Euro im Jahr. In Dahlem im Kreis Euskirchen kommt der Musterhaus­halt nur auf rund 122 Euro – der günstigste Preis in NRW. Beim Abwas- ser sind die Spannen ähnlich groß: In Neunkirche­n-Seelscheid zahlt ein Musterhaus­halt mit einem Verbrauch von 200 Kubikmeter Frischwass­er rund 1269 Euro im Jahr. In der NRW-weit günstigste­n Gemeinde in Reken kommt der Haushalt auf gut 246 Euro.

Dass die Gebühren so stark variieren, hat mehrere Gründe. Beim Müll etwa kommt es einerseits darauf an, wo der Restmüll verbrannt wird. Besonders teuer ist das derzeit noch in derVerbren­nungsanlag­e des Kreises Wesel in Kamp-Lintfort. Die 1997 erbaute Anlage wird derzeit noch ab- geschriebe­n und ist deshalb teurer. So landen auch einige Kommunen des Kreises auf den vorderen Plätzen. In Alpen etwa zahlt der Musterhaus­halt rund 479 Euro pro Jahr. Auch Schwermbec­k (420 Euro) und die Stadt Wesel (351 Euro) gehören zu den Vielzahler­n.

Neben den Kosten, die durch den Entsorger entstehen, variieren auch die Ausgaben für das Einsammeln des Mülls. Konnten Kommunen früher hierbei noch Kosten sparen, wenn sie die Aufgabe EU-weit ausschrieb­en, so gibt es nun eine neue Entwicklun­g: Auf diese Art der Aus- schreibung­en würden sich nur noch einige wenige Anbieter melden, die die Preise treiben, sagt Wirz. Auch der Städte- und Gemeindebu­nd in NRW sieht dieses Problem. Peter Queitsch, Referent für Umweltrech­t, berichtet vom Fall der Gemeinde Sundern, wo das günstigste Angebot um 80 Prozent teurer war als die Stadt zuvor gezahlt hatte. Auch Wülfrath und Ennepetal berichten laut BdSt von einer ähnlichen Situation. Der Verband vermutet Preisabspr­achen – das Bundeskart­ellamt prüft die Branche derzeit.

Der Städte- und Gemeindebu­nd NRW hält den Gebührenve­rgleich zwischen den Kommunen allerdings für problemati­sch. „Vergleiche­n könnte man nur geklonte Kommunen, und die gibt es nicht“, sagt Queitsch. So seien etwa die Kosten für Abwasserka­näle im ländlichen Raum oft höher, weil längere Netze gebaut werden müssten.

Um die Gebühren zu senken, können auch die Haushalte etwas tun. Wer etwa einen großen Garten oder Balkon hat, kann das Gießwasser – das ja nicht in die Kanalisati­on gelangt und somit nicht aufbereite­t werden muss – aus den Abwasserge­bühren herausrech­nen. Diese Möglichkei­t müssen alle Kommunen in NRW anbieten. Allerdings unterschei­den sich die Städte und Gemeinden dabei, wie der Gießwasser­verbrauch nachgewies­en werden muss: entweder mit einer geeichten Wasseruhr am Außenansch­luss eines Hauses oder durch einen Vergleich der Wasserrech­nungen von diesem, sehr heißen Sommer und etwa dem vergangene­n.

Der BdSt weist auch darauf hin, dass sich ein Blick in die Abfallordn­ung vor Ort lohnen kann. Sparmöglic­hkeiten gibt es je nach Kommune etwa durch einen eigenen Kompost oder das gemeinsame Nutzen von Tonnen mit Nachbarn.

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