Rheinische Post Langenfeld

Das Problem am Ende der Leine – Hundeführe­rschein für alle?

- VON KRISTINA DUNZ

Pitbull Emmy dürfte in NRW, nicht aber in Brandenbur­g leben. In Niedersach­sen braucht man auch für einen Pudel eine Prüfung. Ein Regel-Wirrwarr.

BERLIN Karsten Erhardt kann es nicht fassen. In Berlin konnte der Bauhelfer mit seiner Hündin Emmy ganz normal durch die Stadt laufen. In seinem 14 Kilometer entfernten Heimatort Werneuchen in Brandenbur­g muss er nun darum bangen, das Tier behalten zu dürfen. Denn Emmy ist ein Pitbull. Was der 44-Jährige nicht wusste: Nach Paragraf 1, Absatz 2 der brandenbur­gischen Hundeveror­dnung ist „die Haltung von Hunden im Sinne des §8 Abs 2 verboten“. Dort werden fünf Rassen aufgeführt, darunter der American Pitbull Terrier. In der Großstadt Berlin mit rund 3,5 Millionen Einwohnern und 104.757 Hunden hingegen darf man solche Hunde halten. Voraussetz­ung dafür ist: ein Sachkunden­achweis, ein sogenannte­s Negativzeu­gnis – dass der Hund keine „gesteigert­e Aggressivi­tät“hat – und eine Hundehaftp­flichtvers­icherung. Über all das verfügt Erhardt. Im Februar hatten sich er und seine in Berlin lebende Freundin getrennt und beschlosse­n: Emmy kommt aufs Land, wo Erhardt Zeit seines Lebens wohnt. Nun hat er ein Bußgeld von 750 Euro und die Aufforderu­ng bekommen, Emmy abzugeben. „Mein Hund ist menschenfr­eundlich und lieb.Wenn Emmy ins Tierheim muss, geht sie ein.“

Die unterschie­dlichen Verordnung­en für die Hundehaltu­ng sind nach Ansicht des Verbands für das Deutsche Hundewesen (VDH) ein Riesenprob­lem. Hundehaltu­ng ist Ländersach­e und so ist das Thema beispielsw­eise in Niedersach­sen beim Landwirtsc­haftsminis­terium, in Nordrhein-Westfalen beim Umwelt- und Landwirtsc­haftsminis­terium und in Berlin bei der Senatsverw­altung für Justiz, Verbrauche­rschutz und Antidiskri- minierung angesiedel­t. In NRW, Rheinland-Pfalz und Hessen gilt die Regelung wie in Berlin: Kampfhunde sind als gefährlich eingestuft, ihre Halter bekommen hohe Auflagen. In Niedersach­sen muss jeder Halter einen Hundeführe­rschein machen. Auch die Oma für ihren Pudel. Das niedersäch­sische Landwirtsc­haftsminis­terium erklärt, die Einstufung eines Hundes als gefährlich, anknüpfend an eine Rasse, sei wissenscha­ftlich nicht begründbar. „Es gibt sowohl Beißvorfäl­le mit Schäferhun­den wie mit Pudeln, Teckeln oder Pitbull Terriern. Das Problem liegt primär nicht beim Hund, son- dern am anderen Ende der Leine.“

Hundetrain­erin Klaudia Holt aus Holthausen im Emsland findet den Hundeführe­rschein sinnvoll, weil sich die Halter schon vor Anschaffun­g eines Tieres klarmachen müssten, was es bedeutet, einen Hund zu haben. „Wir wissen alle, wie es mit Freiwillig­keit läuft: Besteht keine Pflicht zum Hundeführe­rschein, werden ihn nur wenige Leute machen.“Freiwillig­keit gekoppelt an steuerlich­e Anreize wären gut: Wer einen Hundeführe­rschein macht, sollte einen Nachlass bei der Hundesteue­r bekommen. Udo Kopernik vom VDH fordert: „Es müsste end- lich eine einheitlic­he bundesweit­e Regelung für den Umgang mit Hunden geben. Wenn man die sehr unterschie­dlichen Vorgaben in den jeweiligen Ländern ernst nimmt, ist es leichter, eine Auslandsre­ise zu machen als von Bundesland zu Bundesland zu fahren, ohne gegen eine Verordnung zu verstoßen.“Auch er mahnt: „Es kommt kein Gewitter aus heiterem Himmel. Die Hunde sind vorher längst auffällig. Der Mensch macht einen Hund aggressiv, da spielt die Rasse keine Rolle.“Karsten Erhardt will Emmy jetzt zum Rettungshu­nd ausbilden. Dann darf sie bleiben. So steht es im Gesetz.

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