Rheinische Post Langenfeld

Zweifel an der Rechtsstaa­tskoalitio­n

- VON MICHAEL BRÖCKER MINISTER WEGEN E-MAILS UNTER DRUCK, TITELSEITE

Der Fall Sami A. entwickelt sich zu einer ernsthafte­n Koalitions­krise für das bisher weitgehend geräuschlo­s und gut regierende NRW-Kabinett. Und Regierungs­chef Armin Laschet scheint die Dramatik nicht verstanden zu haben. Läppisch verkündete der Ministerpr­äsident gestern, dass sein Stellvertr­eter Joachim Stamp nach „seiner Auffassung“nach Recht und Gesetz gehandelt habe. Das Oberverwal­tungsgeric­ht in Münster sieht das etwas anders und hat in einer ungewöhnli­chen Erklärung das Ministeriu­m dafür gerügt, dass es einer untergeord­neten Behörde die Anweisung gegeben hat, das Datum der Auslieferu­ng von Sami A. dem Gericht nicht mitzuteile­n, obwohl das Gericht dies erfragt hatte. Das ist ein klarer Fall von Missachtun­g der Justiz.

Niemand in diesem Land hat ein Interesse daran, dass der Islamist Sami A. weiter hier lebt. Deshalb hätte die Politik in acht Jahren dafür sorgen können, dass Tunesien rechtsverb­indlich erklärt, dass dem Mann keine Folter droht und er abgeschobe­n werden kann. Natürlich sollte die Politik auch die Gesetze überprüfen, die es offenbar immer noch erschweren, Unterstütz­er des Terrorismu­s frühzeitig dingfest zu machen oder auszuweise­n. Aber ein „Neustart in der Sicherheit­spolitik“, wie es die NRW-Koalition in Düsseldorf versproche­n hat, kann nicht so aussehen, dass man sich bis dahin den Rechtsstaa­t so zurecht biegt, wie es einem passt. Das Gericht in Gelsenkirc­hen wollte die Abschiebun­g untersagen. Das ahnte der Minister wohl genauso wie Bundesinne­nminister Horst Seehofer. Anders ist die Geheimnisk­rämerei um den Termin des Abschiebef­lugs nicht zu erklären. ass nun auch CDU-Innenminis­ter Herbert Reul erklärt, Richter sollten das „Rechtsempf­inden“der Bürger berücksich­tigen, ist zusätzlich irritieren­d. Ist die Anwendung von geltendem Recht neuerdings Auslegungs­sache? Oder abhängig von Stimmungen in einem Land?

Diese Koalition hat angekündig­t, den Rechtsstaa­t handlungsf­ähiger und wehrhafter zu machen. Einverstan­den. Aber ein Rechtsstaa­t sollte das Land schon bleiben. In dem gilt die Unabhängig­keit der Justiz, auch wenn es weh tut.

Der Ministerpr­äsident sollte schnell Klarheit schaffen, wie diese Regierung zur Trennung von Exekutive und Legislativ­e steht. Sein Stellvertr­eter ist für diese Rolle offenbar ungeeignet.

BERICHT

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