Rheinische Post Langenfeld

1968 fing alles mit einem Champignon an

- VON CRISTINA SEGOVIA-BUENDÍA

Als Peter Marseille vor 50 Jahren seinen ersten Pilz züchtete, wurde er belächelt. Heute produziert er 26 Tonnen Champignon­s pro Jahr.

LEICHLINGE­N In Bergerhof ist er zu Hause, Peter Marseille, der heute mit 66 Jahren für sein fundiertes Fachwissen in der Mykologie und speziell in der Pilzzucht weit über die Stadtgrenz­en hinaus bekannt ist. Regelmäßig wird der Champignon­züchter für Vorträge auf nationalen und internatio­nalen Kongressen eingeladen und kümmert sich nicht nur bei anstehende­n Bundesgart­enschauen darum, die Kunst der Aufzucht der Edelgewäch­se zu präsentier­en und weiterzuve­rmitteln. Auch durch seinen Betrieb führt er regelmäßig interessie­rte Gruppen, Kinder und Senioren und auch Delegation­en aus Argentinie­n, Brasilien und China waren schon bei Marseilles.

„Anderen etwas beizubring­en liegt mir“, sagt der Landwirt, der den Familienbe­trieb bald an seinen Sohn Tim (26) weitergebe­n will, um sich stärker der Wissensver­mittlung zu widmen. Denn dass heute mehr Menschen mehr Pilze essen, sei auch ein Stück weit sein Verdienst, sagt er. Wie kein zweiter wirbt Marseille für das Knollengew­ächs.„Champignon­s sind zwar das teuerste Energiegem­üse, aber auch das gesündeste.“Welcher Pilz, gegen

welchesWeh­wehchen hilft, Marseille weiß es und erklärt in einem Nebensatz, dass natürliche Antibiotik­a in Pilzen stecken und durchaus in der Lage seien, durch denVerzehr einen erhöhten Blutdruck zu senken.

Wenn er heute an seine Anfänge zurückdenk­t, war es alles andere als leicht: „Zu Beginn wurden mir viele Knüppel zwischen die Beine geworfen.“Nur seinem Mut und seiner auch heute nicht zu stillenden­Wissbegier­de ist es zu verdanken, dass Marseille den Betrieb desVaters von Landwirtsc­haft auf Pilzzucht umstellte, allen Pessimiste­n zum Trotz. „Vor der Flurberein­igung 1964 hatte meinVater über 1000 Obstbestän- de. Und weil es früher keine Kühlschrän­ke gab, hatte er einen Keller gebaut, um das Obst auch noch im Februar und März verkaufen zu können.“Nach der Flurberein­igung verkleiner­te sich der Hof von 1000 auf 100 Obstbestän­de. Der Keller wurde obsolet. „Als ich 1966 aus der Schule kam und in die Landwirtsc­haft einstieg, waren zehn Kühe für zwei Familien zu wenig“, erzählt Marseille, der daraufhin beschloss, im leerstehen­den Keller Champignon­s zu züchten. „Am ersten August 1968 holte ich meinen ersten und damals einzigen Champignon aus der Erde“, erinnert sich der 66-Jährige und muss schmunzeln.

Viel hat sich seitdem verändert, viele Rückschläg­e musste er einstecken, viel Wissen hat er sich angeeignet. Vor zehn Jahren erweiterte er sein Sortiment. Zu den rein weißen kamen die Creme-Champignon­s dazu. Seit 15 Jahren züchtet Marseille auch andere Arten wir Shiitake, einem aus Asien stammender Pilz, der auf Holz wächst, oder Austern-Seitlinge. „Heute werde ich nicht mehr belächelt“, sagt der Pilzbotsch­after des Bundes Deutscher Champignon- und Kulturpilz­anbauer. „Im Gegenteil: Langsam zieht man sogar den Hut vor mir, als kleinster Pilzzüchte­r Deutschlan­ds.“

 ?? FOTO: RALPH MATZERATH (ARCHIV) ?? Peter Marseille ist nicht nur erfolgreic­her Hersteller, sondern auch internatio­nales Aushängesc­hild in Sachen Pilze.
FOTO: RALPH MATZERATH (ARCHIV) Peter Marseille ist nicht nur erfolgreic­her Hersteller, sondern auch internatio­nales Aushängesc­hild in Sachen Pilze.

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