Monsterjagd im Botanischen Garten
Auch zwei Jahre nach dem Hype spielen hunderte Solinger Fans im realen Grün weiterhin „Pokémon Go“.
SOLINGEN Gut zwei Jahre ist es her, dass sich in vielen deutschen Städten Menschen in Gruppen zusammenschlossen, um gemeinsam mit dem Smartphone fieberhaft Jagd auf kleine virtuelle Monster zu machen. „Pokémon Go“hieß der Trend, an dem zu jener Zeit kein Weg vorbeiführte. Das Prinzip des Spiels: Die Anhänger verabreden sich an markanten Orten in ihrer Stadt, wobei sie ihre Umgebung gleichzeitig über die Kamera auf dem Bildschirm ihres Smartphones sehen können. Dort begegnen ihnen dann auch die kleinen Monster, die es über die Tastatur einzufangen gilt.
Inzwischen ist es deutlich ruhiger geworden um den Pokémon-Hype, und auch das mediale Interesse ist mittlerweile ein wenig abgeflaut. Dabei sind die Monsterjäger auch in der Klingenstadt aktiver denn je: Eine Solinger„Pokémon-Go“-Gruppe zählt bereits über 500 Mitglieder. Eines von ihnen ist Daniela Bret’l, die schon seit ihrer Kindheit von den kleinen Monstern fasziniert ist. Optisch muten diese derweil eher niedlich als angsteinflößend an. „Mit Videospielen auf dem Gameboy bin ich aufgewachsen“, erinnert sich die 23-jährige, die als Kinderpflegerin arbeitet. „Als dann die ersten Pokémon-Gruppen auftauchten, wollte ich das gleich ausprobieren.“
Anders, als die analoge Generation es vielleicht vermuten würde, ist die Pokémon-Jagd nichts für Einzelkämpfer, die sich mit starrem Blick auf ihr Smartphone von der Außenwelt abkapseln, sondern durchaus eine soziale Veranstaltung. „Man braucht mindestens sechs Leute, um die sogenannten legendären Pokémons zu fangen“, erklärt Bret’l. Letztere seien eine äußerst seltene Spezies, die man nur im Team erwischen könne. Auch sei die Pokémon-Jagd seit der ersten großen Welle nie aus der Mode gekommen – im Gegenteil habe die verantwortliche Firma Niantic, ein in den USA beheimatetes Entwicklerstudio für Computerspiele, noch einmal nachgelegt und das Spiel mit neuen Funktionen erweitert. „Das hat den Reiz für viele zusätzlich erhöht.“
Ein beliebter Treffpunkt für die Solinger Pokémon-Jäger ist zurzeit der Botanische Garten, in dem sich allein drei sogenannte„Arenen“befinden, wie es im Spieljargon heißt. Hierbei handelt es sich um Treffpunkte, an denen sich die Mitglieder einmal im Monat zur Monsterjagd treffen. Wer glaubt, dass sich für dieses Hobby nur nach 1990 Geborene erwärmen können, irrt gewaltig, betont Fan Marc Koßmann. „In Solingen zieht sich das durch alle Altersklassen. Vom Kleinkind bis zum Rentner ist in der Gruppe alles vertreten“, weiß der 25-Jährige. Für ihn steht das Gemeinschaftserlebnis im Vordergrund – ging man früher mit den Kumpels zum Kegeln, trifft man sich heute zur Monsterjagd. „Ich habe dabei schon viele nette Leute kennengelernt. Zudem sieht man bei dem Spiel seine Stadt mit ganz anderen Augen und entdeckt Orte, die man sonst nie wahrgenommen hätte.“
Auch wenn ältere Herrschaften gelegentlich über die Pokémon-Jünger nur den Kopf schütteln – Horst Fleischer, Vorsitzender der Stiftung Botanischer Garten, steht dem Phänomen offen gegenüber: „Sie stören nicht und machen auch nichts kaputt. Sie sind bei uns Besucher wie alle anderen auch.“