Verfemte Kunst zwischen gestern und heute
Das Zentrum für verfolgte Künste im Kunstmuseum Solingen erinnert an unterdrückte und vergessene Kulturschaffende.
SOLINGEN Ein zähnefletschendes Untier mit den Umrissen Europas schnaubt einer abgemagerten Gestalt mit Koffer ein unfreundliches „Go Home“entgegen. Wenige Meter weiter schwebt ein Baum in Form einer Friedenstaube über einem Abgrund. Ein Mann – anhand von Haartolle und gedrungener Körperhaltung leicht als US-Präsident Donald Trump identifizierbar – tritt bedrohlich mit einer Axt über der Schulter an ihn heran. Die Welt der Karikaturen und ihre politische Dimension erschließt sich derzeit dem Besucher im „Zentrum für verfolgte Künste“: Bis 16. September zeigt das Solinger Kunstmuseum die Ausstellung„Neunte Kunst“des Netzwerks „Cartooning for Peace“. „Journalisten, Illustratoren und Karikaturisten stehen schließlich am Anfang der Unterdrückung, wenn Staaten ihre demokratische Basis verlassen“, betont Jürgen Kaumkötter, der die Ausstellungen des Zentrums verantwortet.
In dessen Mittelpunkt stehen zwar die oft vergessenen Werke von Künstlern, die unter den Nationalsozialisten oder dem SED-Regime litten. Doch dass verfolgte Kunst eben mehr ist als ein Kapitel aus den Geschichtsbüchern, wird in der Solinger Einrichtung an vielen Stellen deutlich. „Wir können ja nicht in unserer Dauerausstellung Strukturen sichtbar machen, die Künstler ins Exil getrieben haben, um dann denen ein Forum zu verwehren, die heute auf der Flucht sind“, erklärt Kaumkötter. So präsentiert er gemeinsam mit dem sudanesischen Zeichner und Journalisten Talal Nayer die Illustrationen und Cartoons vieler Zeitgenossen ganz unterschiedlicher Herkunft. Interesse an dieser Ausstellung haben laut Kaumkötter bereits Museen in Mexiko, Argentinien und Chile angemeldet.
Zu einer Art Bindeglied zwischen Geschichte und Gegenwart ist für die Solinger Einrichtung der Israeli Michel Kichka geworden: Schon zur offiziellen Eröffnung des Zentrums im Spätherbst 2015 zeigte er seine Ausstellung „Zweite Generation.Was ich meinemVater nie gesagt habe“. Darin behandelt der in Belgien geborene Karikaturist die Beziehung zu seinem Vater Henri, der als einziges Mitglied seiner Familie das Grauen der Konzentrationslager überlebt hatte. Wie dieses Trauma letztlich auch die nachfolgende Generation geprägt hat, greift nun ein ambitionierter Film auf: Bei der Dokumentation „Kichka. Life is a Cartoon“übernahm Jürgen Kaumkötter die Funktion des Produzenten und schrieb am Drehbuch mit, Regie führte Delfina Jalowik vom Museum für Gegenwartskunst in Krakau. Und die Arbeit trägt offenbar Früchte: Ende des Monats geht der Film auf dem renommierten World Film Festival in Montreal ins Rennen um den Preis für die beste Dokumentation. Mehr noch: „Wir ha- ben durch den Film Kontakt zur Uno bekommen und die Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern vertieft“, erklärt Kaumkötter. Zu denen gehören unter anderem die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und das Pariser Mémorial de la Shoa.
Am 16. September wird der Film im Solinger Kulturzentrum Cobra ein weiteres Mal zu sehen sein. Für Schulen gibt es eine Kurzfassung. „Diese Partnerschaften wollen wir ausbauen“, so Museumsdirektor Rolf Jessewitsch. Viele Karikaturen sollen auch nach dem Ende der Sonderausstellung im Museum zu sehen sein. Die Zusammenarbeit mit Michel Kichka geht ohnehin weiter.
Interesse an der Schau
haben Museen in Mexiko, Argentinien
und Chile gezeigt
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