Weidmann bei EZB wohl aus dem Rennen
Der Bundesbankpräsident dürfte wohl nicht Nachfolger von Mario Draghi an der Spitze der Europäischen Zentralbank werden.
BERLIN Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bevorzugt einem Medienbericht zufolge eine deutsche Kandidatur für den Chefposten in der EU-Kommission im kommenden Jahr, statt Bundesbankpräsident Jens Weidmann in ein aussichtsloses Rennen um die Nachfolge von EZB-Präsident Mario Draghi zu schicken. „Nicht die EZB hat für Merkel oberste Priorität, sondern die EU-Kommission“, zitierte das „Handelsblatt“einen hochrangigen Regierungsvertreter.
Merkel betonte allerdings am Donnerstag am Rande ihrer Kaukasus-Reise, sie habe sich noch nicht entschieden. „Ich kann keinerlei Wünsche bestätigten, die ich habe. Sondern wir werden die Entwicklung abwarten und dann schauen, wie sich die deutsche Position entwickelt“, sagte die Kanzlerin in Tiflis. Weidmann selbst äußerte sich ausweichend. „Nein, was soll ich dazu schon sagen“, sagte er am Donnerstag am Rande einerVeranstaltung in Berlin.
In Koalitionskreisen galten die Spekulationen aber als durchaus plausibel. Wenn Deutschland eine Chance auf einen der beiden wichtigsten EU-Posten habe, dann auf den des Kommissionspräsidenten. Die politische Entscheidung über die Nachfolge von Kommissionschef Jean-Claude Juncker falle bereits in diesem November. Alle weiteren EU-Spitzenjobs hingen davon ab – neben dem EZB-Chef auch der des EU-Ratspräsidenten, des EU-Parlamentspräsidenten und der EU-Außenbeauftragten.
Der Zeitung zufolge habe Merkel Weidmann in einem vertraulichen Gespräch erläutert, dass sie seine Kandidatur für den Chefposten der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht für vorteilhaft halte. Weidmann habe Merkel signalisiert, dass er für die Draghi-Nachfolge bereitstünde. Diese Ambitionen muss der 50-Jährige nun wohl begraben.
Weidmann vertritt im EZB-Rat Positionen, die nicht mehrheitsfähig sind. So hatte er die extrem expansive Geldpolitik mit ihren fortgesetzten massiven Staatsanleihekäufen scharf kritisiert. Die Mehrheit hielt jedoch daran fest, um die südeuropäischen Länder zu stützen und die Inflation anzukurbeln. Ob Merkel eine Mehrheit fürWeidmann organisieren könnte, ist daher fraglich. Zudem hat der Chefposten in der unabhängigen EZB aus Sicht Berlins auch weniger Charme als der Kommissionsvorsitz. Allerdings wäre auch hier eine deutsche Kandidatur umstritten: Deutschland habe als größtes Land auch so schon genug Einfluss und Macht in der EU, so die Brüsseler Sicht.
Ein deutscher EZB-Präsident hätte allerdings den Vorteil, dass das Vertrauen in die europäische Geldpolitik in Deutschland möglicherweise gewachsen wäre. Die Zentralbank in Frankfurt muss aber eine Politik für die Euro-Zone als Ganzes machen.
Sollte sich Merkel dafür entscheiden, einen Deutschen auf den Posten des Kommissionschefs zu bugsieren, hätte der Chef der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), beste Chancen. Ihr Lieblingskandidat wäre aber der eloquente Peter Altmaier (CDU). Fiele Merkels Wahl auf ihn, müsste er das Amt des Bundeswirtschaftsministers bald niederlegen und als Spitzenkandidat in den Europawahlkampf ziehen. Die Europawahl Ende Mai 2019 ist entscheidend, denn das Parlament hatte erzwungen, dass der Kommissionschef aus seiner Mitte besetzt wird. „Nicht Frau Merkel entscheidet, wer Kommissionspräsident wird, sondern die Bürger bei der Europawahl 2019“, betonte der Grünen-Europaparlamentarier Sven Giegold.